Flucht übers Meer
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Flucht übers Meer

Dr. Peter Kristen
Ein Beitrag von Dr. Peter Kristen, Evangelischer Pfarrer und Studienleiter, Religionspädagogisches Institut Darmstadt

Übers Meer sind sie gekommen, geflohen in kleinen Booten. Sie mussten weg aus ihrer Heimat, weil sie dort keine Zukunft sahen, weil dort kein Leben mehr möglich war. Nur noch Zerstörung und Hoffnungslosigkeit. Das ist die Geschichte von Isländern. Sie erinnert zwar an die Situation aktuell im Mittelmeer, ist aber rund hundertfünfzig Jahre her. Damals war die Flucht übers Meer die einzige Chance der Isländer, auch wenn sie in eine ungewisse Zukunft führte. 

Heute erinnert eine Gedenkstätte an diese Flüchtlinge. Der Gedenkstein steht in Gimli in Manitoba, im Nordosten Kanadas. In den 1870er Jahren war auf Island der Vulkan Askja ausgebrochen. Monatelang hatten Asche und Lava dort viel vom ohnehin knappen Weideland für Schafe und Pferde zerstört. Den Isländern drohte der Hungertod. 
Da haben sie das Nötigte zusammengepackt: Bilder, Bücher, Werkzeuge und warme Kleidung und sind übers Meer geflohen, nach Kanada, in das Land zwischen Red River und Lake Winnipeg. Das gehört den First Nations, den Ureinwohnern Kanadas. Ihnen gilt der Dank auf dem Gedenkstein in Gimli. Auf dem Gedenkstein steht: 
Wir sind stolz darauf, die Geschichte unserer Stadt so zu beginnen: Wir erkennen den guten Willen und die Unterstützung der Ureinwohner an, die sie den Flüchtlingen zugutekommen ließen. Sie haben ihnen geholfen, die Not zu überleben, die sie auch in ihrer neuen Heimat zu bewältigen hatten.

Kälte waren die geflohenen Isländer gewohnt. Viele konnten sich eine Hütte für den ersten Winter zusammenzimmern. Am riesigen Lake Winnipeg konnten sie gut vom Fischfang leben, wie in Island. Aber dann ist etwas passiert, das sie aus dem Land der heißen Quellen und der reichen Fischgründe im Meer nicht kannten: Der Lake Winnipeg ist zugefroren, und ihre Lebensgrundlage war unter Eis verborgen. Da waren es die indianischen Ureinwohner, die den Neuankömmlingen gezeigt haben, wie man auch unter dem Eis fischen kann, wie man Fallen stellt und Cariboo jagt. Auch eine Art von Willkommenskultur.

Ich wünsche mir, dass in einer Stadt in Hessen eines Tages auch einmal ein Gedenkstein für die steht, die den Flüchtlingen unserer Tage geholfen haben, ihre Not zu überwinden und ein neues Leben zu beginnen.

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