Bedrückend und beschämend
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Bedrückend und beschämend

Clemens Weißenberger
Ein Beitrag von Clemens Weißenberger, Katholischer Pastoralreferent, Frankfurt

Die ersten Zahlen, die vor zwei Wochen rauskamen, haben mich erschüttert. Heute werden die Ergebnisse endgültig präsentiert: die der Studie zum sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche. Dazu haben neun der 27 katholischen Bistümer und Erzbistümer in Deutschland Akten seit 1946 untersuchen lassen, weil diese neun Bistümer zufällig und repräsentativ ausgewählt wurden. Die anderen haben ihre Bestände ab dem Jahr 2000 geöffnet. Bischof Ackermann wird die Ergebnisse heute in Fulda vorstellen. Und von den Folgen und Konsequenzen reden.

Ich finde, das Ausmaß des sexuellen Missbrauchs ist für meine katholische Kirche bedrückend und beschämend. Auch ich empfinde Scham und Abscheu, wenn ich an die Taten denke. Und natürlich denke ich vor allem an die Missbrauchten. Sie sind ja oft quasi zweimal missbraucht worden. Einmal tatsächlich. Und dann ein zweites Mal, als sie sich trauten, über ihren Missbrauch zu reden. Wie oft aber ist nichts passiert. Oder sie sind sogar zum Schweigen gebracht worden.

Ich kann nicht nachvollziehen, dass der Missbrauch für die Täter selten Konsequenzen hatte und es sogar ein System des Schweigens und Vertuschens gab. Ich selbst erinnere mich daran, dass in den Achtziger Jahren ein Gemeindepfarrer aus einem anderen Bistum kam und dann auch plötzlich die Gemeinde schnell wieder verließ. Auf die Frage „Warum?“ bekam ich zur Antwort: „Der greift den kleinen Mädchen im Kindergarten halt gerne mal unter den Rock…“ Anzeige bei der Polizei? Fehlanzeige… Konsequenzen, ja, er wurde in ein anderes Bistum versetzt… wo ihn niemand kannte. Furchtbar, da wurden die Täter versetzt, und die Betroffenen waren allein mit ihrer Scham und ihren Schmerzen. Und oft war es in den Gemeinden und Orden ein offenes Geheimnis, warum plötzlich von heute auf Morgen einer seinen Dienst nicht mehr tat.

Ich frage mich, wieso Kirche selbst für ihre Missbrauchsaufklärung zuständig ist. Müsste es nicht so etwas wie Gewaltenteilung in der Kirche geben? Das würde bestimmt auch den Ausgleich leichter machen. Angemessene Entschädigung zu bekommen, ist oft ein beschämend langer und steiniger Weg. Mich erschüttert, wie schwer es Menschen haben, Entschädigungen zu bekommen. Häufig kommen sie sich wie Bittsteller vor, fühlten sich von oben herab behandelt und nicht ernstgenommen.

Ich wünsche mir und erwarte, dass Kirche lebt, was sie verkündet: einen Gott, der auf der Seite der Leidenden steht. Deswegen muss Kirche die Rufe derjenigen hören, denen furchtbares Unrecht angetan wurde. Und ihnen muss endlich Gerechtigkeit widerfahren lassen.

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