Was bleibt?
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Was bleibt?

Alexandra Becker
Ein Beitrag von Alexandra Becker, Katholische Pastoralreferentin, Pfarrei St. Franziskus, Frankfurt

„Gib mir irgendwas, das bleibt“. Diese Textzeile aus einem Lied hatte ich tagelang als Ohrwurm, nachdem ich eine Liste von bekannten Namen bei Wikipedia durchgegangen bin. Es waren unzählige Namen mit kurzen Hinweisen dazu, was sie wikipedia-würdig macht: Weihbischöfe und Motorsportler, Psychotherapeuten und Musikproduzenten. Ich gebe zu, bei manchen Einträgen dachte ich mir: War diese Lebens-Leistung jetzt so bedeutend, dass sie für alle Zeiten im Internet festgehalten werden muss? Wer bin ich, das zu beurteilen? Aber diese Frage hat mich einige Tage beschäftigt. Was bleibt denn eigentlich von einem Menschen? Sind das die Leistungen, die man bei Wikipedia in der Regel nachlesen kann: Abschlüsse, Arbeitsstellen, Erfolge? Eigentlich schade, dass da nie steht: „sie hatte einen tollen Humor“, oder „auf ihn konnte man sich absolut verlassen“.

Das Schöne an Wikipedia ist ja, dass jeder dort seine Artikel einstellen darf. Und Artikel verändert werden dürfen. Theoretisch also jederzeit ergänzt werden könnte was bleibt, außer dem, was in Zeugnissen oder Veröffentlichungen nachgelesen werden kann. In all diesen Artikeln geht es aber nicht nur um Würdigung, sondern darum, dass jemand nicht vergessen geht, dass etwas bleibt von diesem Menschen.

„Gib mir irgendwas, das bleibt“, singt die Band Silbermond. 2009 kam der Song raus – sagt Wikipedia. Was bleibt denn bloß mal von mir? frage ich mich. Ich bin noch jung: ich könnte ja noch viel schaffen, was bleiben wird: ein Buch schreiben, oder Musik komponieren. Manchmal frage ich mich, wie es sein wird, wenn ich alt bin – so Gott will. Wenn ich zurückschaue und frage: was bleibt? was hab ich erreicht? Was hab ich geschafft? Ich wünsche mir, dass mir dann etwas einfällt. Und dass mir auch dann etwas einfällt, wenn ich bis dahin kein Buch geschrieben habe, keinen Hit komponiert, und man mich in keinem einzigen Artikel bei Wikipedia finden kann.

Was von einem Menschen bleibt, sind nicht nur die vorzeigbaren Leistungen. Wenn ich an Menschen zurückdenke, dann erinnere ich mich zum Beispiel an das laute Lachen oder auch an große Geduld. Und wenn ich von Menschen erzählt bekomme, die ich selbst nicht gekannt habe, dann doch oft von liebevollen Blicken, oder von Mut oder von Humor. Ich glaube, die Dinge, die bleiben, an die wir uns erinnern, sind vor allem die, die nichts kosten und für die wir nicht jahrelang hart arbeiten müssen. Gib mir einfach nur ´n bisschen Halt, singen Silbermond. Vielleicht ist es das, was bei mir in besonders guter Erinnerung bleibt: wenn ich mich mit Menschen wohl gefühlt habe, sie mir einfach ein bisschen Halt gegeben haben. Halt, der mich stark gemacht hat. Das bleibt.

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