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Geschlechterkämpfe
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Geschlechterkämpfe

Anke Jarzina
Ein Beitrag von Anke Jarzina, Katholische Pastoralreferentin in der Pfarrei St. Peter und Paul in Wiesbaden
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Neulich bin ich zu einer Tagung in einem Hotel gewesen und musste auf die Toilette.  Als ich gesehen hab, mit welchen Schildern die Damen- und die Herrentoiletten gekennzeichnet waren, wäre ich am liebsten wieder gegangen. Auf der Herrentür war das Piktogramm eines Männchens zu sehen, darüber eine Denkblase mit dem Wort „football“. Auf der Damentür war ein ähnliches Männchen. Das hatte allerdings anstelle eines angedeuteten männlichen Geschlechtsteils ein Loch. Außerdem hatte die vermeintliche Frau einen Mund, der dem Mann fehlte, und in der weiblichen Denkblase stand „shopping“.

Ich fand das auf Anhieb niveaulos und sexistisch. Wieder zu Hause hab ich über diese Geschichte nachgedacht: Wieso finden es Menschen lustig, wenn Männer und Frauen auf Vorurteile reduziert werden? Ich hab die Fotos der Toilettentüren dann auf Facebook gepostet, zusammen mit dem Vermerk, dass mich dieser Sexismus aufregt.

Es folgten hitzige Diskussionen auf diesen Post in den Kommentaren. Die ersten stammten von Männern. Sie waren - vereinfacht zusammengefasst - der Meinung, ich solle mich nicht so anstellen und doch einfach über diesen kleinen Scherz lachen oder wenigstens darüber hinwegsehen.

Ganz ehrlich: Das hat mich fast noch wütender gemacht als die Schilder selbst! Wo leben wir denn? Waren denn alle Emanzipationsbemühungen und Frauenrechtsdiskussionen umsonst? Und nebenbei bemerkt: Auch als Mann würde mich eine Reduzierung auf „Fußball plus Schniedel“ sauer machen. Aber ich bin nun mal eine Frau.

Ich denke: Was als kleiner Scherz auf Toilettentüren beginnt, überträgt sich schleichend in die Strukturen unserer Gesellschaft. Deshalb rege ich mich auch schon über kleine Auswüchse des Sexismus auf, denn sie widersprechen ganz entschieden meinem Menschenbild.

Musik

Seit Ende August kann man sich im Historischen Museum in Frankfurt die Ausstellung „Damenwahl – 100 Jahre Frauenwahlrecht“ anschauen. Wenn ich das höre, dann denke ich: Mensch, was hat sich seitdem schon getan! Frauen sind selbstbewusst geworden, arbeiten in Führungspositionen, wir haben sogar eine Bundeskanzlerin! Wahrscheinlich sagen die allermeisten inzwischen auch ganz klar: Ist doch selbstverständlich: Frauen sind natürlich gleichberechtigt und gleichwertig. Und trotzdem begegnen mir hier und da plötzlich dumme Sprüche oder dumme Schilder - und ich merke: das passt doch irgendwie nicht, das gehört doch zurück in letzte Jahrhundert!

Ich bin eine Frau. Und: Ich bin eine Frau, die in der katholischen Kirche arbeitet. Ich werde oft gefragt, warum ich eigentlich nicht Priesterin werden darf. Das Thema der ungleichen Chancen und Rechte für Männer und Frauen beschäftigt mich also auch schon von Berufs wegen. Und auch hier gibt es Vieles, was ich ungerecht und ungerechtfertigt finde. Aber auch hier wird meine Aufregung gerne mal als „aufmüpfig“ oder als „auf Krawall gebürstet“ interpretiert – übrigens nicht nur von Männern.

Ich habe den Verdacht: Einige erwarten immer noch von Frauen, dass sie brav, angepasst und demütig sein sollen. Mal ehrlich: das wäre doch nicht nur langweilig, sondern eine gewaltige Verschwendung von Fähigkeiten und Talenten. Unsere Gesellschaft braucht Frauen als gleich- und vollwertige Menschen, und nicht bloß als „schmückendes Beiwerk“ oder „emotionalen Part“ – als könnten Männer nicht schmuck aussehen und gefühlvoll sein.

Musik

Frauen und Männer sind gleichwertige Menschen. Deshalb sollten sie ebenbürtig miteinander leben und arbeiten. Klar: Mit diesen Toilettenschildern, die ich in dem Hotel gesehen habe, werden beide Geschlechter auf den Arm genommen. Aber: Frauen gelten eben erst seit relativ kurzer Zeit als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft. Wenn sie stereotyp herabgewürdigt werden, wirkt das auf mich wie ein Rückschritt in die Vergangenheit. Und dann sehe ich die Gefahr, dass wie damals Männerbünde entstehen, die die Frauen nicht grundsätzlich in ihrem Wert und ihrer Würde ernst nehmen. Und wenn der andere weniger wert ist als ich, brauche ich ihn und seine Meinung, seine Grenzen, seine Wünsche ja auch nicht wirklich für voll zu nehmen, so nach dem Motto: Nun stell dich mal nicht so an! Das ist genau die Haltung, die auch sexuellem Missbrauch Tür und Tor öffnet.

Solch eine Herabwürdigungsspirale spielt sich nicht nur zwischen Männern und Frauen ab, das hat vor kurzem die Studie zu den Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche gezeigt. Mir dreht sich der Magen um, wenn ich darüber nachdenke: Wie konnten diese grauenhaften Dinge nur passieren? Und wieso um Gottes willen wurden sie immer wieder vertuscht? Selbst hochrangige Kirchenmänner sind inzwischen der Meinung: Wenn es mehr Frauen in der katholischen Kirche an verantwortlicher Stelle gegeben hätte, wäre das mit dem Missbrauch vielleicht in dem Maße nicht passiert. Doch leider gibt es in diesem System immer noch Männerbünde und zu viel ungleiche Behandlung von eigentlich gleichwertigen Menschen.

So schräg sich das auch vor diesem Hintergrund anhört: Der Gott, an den Christen glauben, liebt alle Menschen gleich und hat alle mit genau der gleichen Würde ausgestattet. Und damit meine ich wirklich alle. Die Schöpfungserzählung der Bibel erzählt davon: „Gott erschuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes erschuf er ihn. Männlich und weiblich erschuf er sie.“ (Gen 1,27, EÜ2018). Im Neuen Testament heißt es sogar: „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht männlich und weiblich; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus.“ (Gal 3,28, EÜ2018). Das heißt für mich: es kommt nicht darauf an, als was und wo ich geboren wurde. Es genügt, dass ich lebe, dass ich da bin - das allein verleiht mir eine Art göttliche Würde.

Aber ich sollte mich auch fragen: Was mache ich daraus? Wie verhalte ich mich mir selbst und anderen gegenüber? Erkenne ich diese göttliche Würde in mir selbst – und erkenne ich sie auch bei allen anderen an?

Das ist für mich der Knackpunkt: Kann ich allen Menschen mit Würde und Respekt begegnen und sie in ihrer Einzigartigkeit wahrnehmen und anerkennen? Oder kommen mir einige Menschen irgendwie wertvoller vor als andere? Nutze ich andere Menschen aus für meine Zwecke, lebe ich auf ihre Kosten, missachte ihre Persönlichkeit, missbrauche ich sie für meine Bedürfnisse?

Für mich ist es deshalb wichtig, mich gegen herabwürdigende und vorurteilsbeladene Handlungen zu wehren, da, wo ich sie sehe und erkenne. Auch, wenn das für andere vielleicht Kleinigkeiten sind. Ich finde: Wir alle, Frauen und Männer, sollten versuchen, die Welt zu einem gerechteren Ort zu machen, jede und jeder dort, wo es geht. Egal, ob am Stammtisch, in der Kirche, auf der Arbeit oder vielleicht auch mal an einer Toilettentür.

 

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