France Gall: Ella elle l’a

France Gall: Ella elle l’a

Sebastian Pilz
Ein Beitrag von Sebastian Pilz, Katholischer Referatsleiter Diakonische Pastoral/Seelsorge in besonderen gesellschaftlichen Herausforderungen

Dieser Popsong durfte Ende der 80iger des vergangenen Jahrhunderts auf keiner Tanzparty fehlen. Mit ihrer leichten und klaren Stimme lädt die französische Sängerin France Gall zum Mitsingen und Tanzen ein. Ich persönlich verbinde diesen Song nicht mit dem Tanzen, sondern mit dem Schlagzeug, genauer mit meinem Luftschlagzeug. Ich sitze also als Jugendlicher vor meinem Kofferradio. Das ist damals gerade brandneu und eben habe ich mir eine leere Kassette gekauft. Als der Song im Radio gespielt wird, drücke ich auf Aufnahme und schon habe ich „Ella“ auf Band. Danach kommen meine zwei kurzen Stöcke aus dem Garten zum Einsatz. Ich setze mich vor mein Radio, spule die Kassette zurück und schlage zu dem Hit auf mein imaginäres Schlagzeug.

Mit Ella elle l’a landet France Gall 1987 einen Welterfolg. In Frankreich verkauft sich das dazugehörige Album über eine Million Mal. Sie wird dadurch quasi zu einer französischen Heldin. Aber was sagt der Song eigentlich über Heldinnen und Helden? Ich entdecke da drei Antworten. Dazu braucht es nun aber erst einmal die Übersetzung der eben gehörten Strophe.

Es ist wie eine Art Fröhlichkeit, wie ein Lächeln, Irgendwas liegt in dieser Stimme, das uns zu sagen scheint: "Komm!" Das uns ungewohntes Wohlgefühl verschafft
Es ist wie die ganze Geschichte der Schwarzen, die zwischen Liebe und Verzweiflung schwankt. Wie etwas, das in dir drin tanzt, Wenn du es hast, dann hast du’s. Ella, Ella, sie hat es.

France Gall gibt in ihrem Lied nur wenig Anhaltspunkte, welcher Heldin der Song gewidmet ist. Der Name „Ella“ und der Bezug auf die Geschichte der Schwarzen können auf Ella Fitzgerald hinweisen. Die US-amerikanische Jazz-Heldin aus den 30iger Jahren des 20. Jahrhunderts ist auch im offiziellen Musikvideo mehrfach zu sehen. Ihr ist vermutlich dieser Song gewidmet. Aber genaueres lassen sich France Gall und ihrem Ehemann Michael Berger, der den Text für diesen Popsong geschrieben, nicht entlocken. Deshalb ist das Wortspiel im Titel des Liedes viel faszinierender für mich. „Elle l’a“ kann im Französischen auch einfach mit: „Sie hat es“ übersetzt werden. Damit kann die mehrfach wiederholte Aussage des Liedes auch einfach bedeuten: „Sie hat es“. Und schon wird es unkonkreter. Es muss nicht mehr unbedingt Ella Fitzgerald gemeint sein. Alle Heldinnen und Helden können hier eingefügt werden. Das können also auch, so wie im Musikvideo zu sehen, andere Größen der Geschichte sein. Ich entdecke hier meine erste Antwort, auf die Frage, was das Lied über Helden sagt: Sie haben alle eine besondere positive Ausstrahlung. Das trifft auch auf France Gall zu, die dem Refrain mit ihrer fröhlichen Stimme Ausdruck verleiht.

Übersetzung:
Ella, sie hat es. Dieses gewisse Etwas, das andere nicht haben
Das uns in diesen besonderen Zustand versetzt.
Ella, sie hat es. Ella, sie hat es,
dieses Besondere der Stimme, dieses Besondere der Freude
Diese Himmelsgabe, die sie schön macht.
Ella, sie hat es. Ella, sie hat es.

Dieses gewisse Etwas, das Besondere der Stimme, diese positive Ausstrahlung entdecken auch andere in der Sängerin France Gall. Als sie am 7. Januar dieses Jahres in Frankreich stirbt, bezeichnet sie der ehemalige französischen Staatspräsident Francois Hollande als eine „leuchtende Sängerin, die ihre Stimme den größten Autoren geben konnte“. Auch der jetzige französische Staatspräsident Emmanuel Macron würdigt ihr Lebensbeispiel, weil sie sich anderen zuwandte und ihnen geholfen hat. France Gall ist nicht nur eine Heldin im musikalischen Sinn. Zur der Zeit, als das Lied „Ella elle l’a“ entsteht, engagiert sich France Gall mit ihrem Mann für Schulkinder in Afrika. Später setzt sie sich für Obdachlose ein. Sie hilft benachteiligten Menschen und das, obwohl sie nach dem Song „Ella“ keine weiteren großen musikalischen Erfolge feiert. Das tut sie auch dann noch, als sie schwere Schicksalsschläge treffen. Der Tod ihres Mannes und später der Tod der Tochter lassen sie nicht aufgeben. Sie hilft weiterhin Notleidenden und tut Gutes. Darin entdecke ich meine zweite Antwort nach dem, was Heldinnen und Helden ausmacht: Sie setzen ihre positive Ausstrahlung, ihr besonderes Etwas, für andere Mitmenschen ein und geben bei Schwierigkeiten nicht so leicht auf. In ihnen wird dadurch etwas Größeres, etwas Tieferes sichtbar. Ja, aber was eigentlich? Das Lied gibt die Antwort:

Übersetzung:
Sie hat dieses winzige mehr an Seele.
Diesen undefinierbaren Charme,
Diese kleine Flamme

Das „winzige Mehr an Seele“, „diese kleine Flamme“ – bei diesen Worten denke ich als Christ sofort in den religiösen Bereich hinein. Jeder Mensch hat für mich eine Seele. Und ich schließe mich dem Bild von France Gall an. Die Seele ist schwer zu definieren. Sie ist wie eine kleine Flamme, durch die in jedem Menschen die Größe Gottes hindurchschimmert. Christen sprechen da auch vom Heiligen Geist, noch so einem theologischen Fachbegriff. Der Heilige Geist ist das Medium, der Vermittler. Durch ihn kann Gott in dieser Welt wirken und er tut das, indem er Menschen mit dem Heiligen Geist erfüllt. An Pfingsten, dem Fest des Heiligen Geistes, wird der auf die Jünger herabgesandt. Die Bibel verwendet dazu das Bild der Feuerzungen. Das hat also mit Ausstrahlung und Stimme zu tun. Eben mit dem, was Helden ausmacht. Sie brennen für etwas Gutes, haben eine positive Ausstrahlung und treten für Schwächere mit ihrer Stimme ein. Das dritte, was ich also aus dem Song als Charakteristikum für Helden lerne, ist: Ihr positives Etwas, ihre besondere Freude, das, was andere begeistert, verweist mich auf den Geist Gottes. Er ist durch diese geisterfüllten Menschen auf wunderbare Weise in dieser Welt am Werk.

Übersetzung:
Schlag auf Fässer, oder
Hau in die Klaviertasten,
Einfach auf alles, was Gott dir in die Hände geben kann.
Zeig’ dein Lachen oder deinen Kummer.

Auch wenn du nichts hast, bist du ein König,
Solange du immer noch nach den verborgenen Fähigkeiten suchst, die in dir schlummern.
Du siehst, das kann man nicht kaufen!
Wenn du es hast, dann hast du's!

„Schlag auf die Fässer“, singt Fance Gall und das habe ich in meiner Kindheit ja auch getan. Es waren zwar keine wirklichen Fässer. Aber mein Luftschlagzeug habe ich zu diesem Lied gespielt. Auch das andere im Liedtext habe ich versucht: das Klavierspielen. Meine Klavierlehrerin hat bestimmt viele graue Haare durch den Unterricht mit mir bekommen. Ich erfuhr am eigenen Leib, was das Lied an dieser Stelle sagt: „Wenn du es hast, dann hast du’s“, heißt es da. Anderes gesagt, wenn ich es nicht habe, dann habe ich es halt auch nicht. Beim Klavierspielen erkannte ich das sehr schnell. Aber meine Klavierlehrerin ließ nicht locker. Sie motivierte mich dazu, in den Jugendchor zu gehen. Und da entdeckte ich eine verborgene Fähigkeit, nämlich das Singen. Es ist so, wie France Gall es ausdrückt: „Du siehst, das kann man nicht kaufen“ Mein Talent zum Singen verstehe ich bis heute als ein unbezahlbares Geschenk. Daraus schöpfe ich noch heute. Ich bin dankbar für diese intensive Verbindung von Glauben und Singen. Sie habe ich im Jugendchor der Pfarrei früher kennengelernt und sie erlebe ich noch heute, wenn ich Bad Orb oder in Fulda in Chören singe. Ich bin immer wieder begeistert, wie Menschen in einem Chor das Besondere ihrer Stimmen zur Freude anderer und zum Lob Gottes zum Klingen bringen. Da entdecke ich auch immer wieder dieses Feuer, dieses besondere Etwas von Gott im Menschen. Zum Schluss bleibt für mich noch die Frage offen, ob Gott nur durch Heldinnen und Helden in dieser Welt wirkt oder durch Menschen, die besondere Talente und Begabungen haben. Wenn ich auf das Lied von France Gall höre, entdecke ich da ein Nein. Sie rät nämlich jedem Menschen, auf der Suche nach den eigenen verborgenen Fähigkeiten zu bleiben. Wer sucht, bleibt ein König, singt sie da. Sie macht also allen Menschen Mut, die eigene Begabung zu suchen. Wenn die dann gefunden ist, kann sie niemandem für alles Geld der Welt entrissen werden. So wie ich mein Singen entdeckt habe, glaube ich fest daran, dass Gott durch seinen Heiligen Geist jedem Menschen eine besondere Begabung schenkt. Ich lade ein, diese Spur von Gottes Geist im eigenen Leben zu entdecken. Diese Spur ist wie eine Stimme, die France Gall in der ersten Strophe schön umschreibt. Sie singt da wörtlich: „Es ist wie eine Art Fröhlichkeit, wie ein Lächeln, Irgendwas liegt in dieser Stimme, das uns zu sagen scheint: "Komm!" Das uns ein ungewohntes Wohlgefühl verschafft.“ Wenn eine Person ihr Talent entdeckt, wird sie für mich zum Helden oder zur Heldin. Erstens bekommt sie eine positive Ausstrahlung. Zweitens wird sie andere dadurch positiv beeinflussen, sie verändern oder ihre Begabung sogar für andere einsetzen. Und drittens entdecken so im Gegenzug andere Menschen in ihr dieses göttliche Feuer. Dann werden auch sie mit France Gall zusammen nur noch fröhlich singen können: „Sie hat es, sie hat es“

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