Gute Engel aus Fleisch und Blut
Schutzengeltag ist heute. Es gibt sie. Die unsichtbaren Wesen. Das steht für mich fest. Manchmal kommen sie aber auch sehr menschlich daher. Die guten Engel. So wie die hilfsbereite Nachbarin unserer Mutter.
Ein Stockwerk unter ihr wohnt sie. Wir kennen sie eigentlich nur vom Sehen. Grüßen uns im Treppenhaus. Kennen uns mit Namen.
Unsere Mutter ist 85 Jahre alt. Und vergesslich. Wenn im Sommer die Tage schön sind, setzt sie sich auf die Bank auf dem Platz vor dem Haus. Da sitzt sie. Sieht dem Treiben zu. Genießt die warmen Strahlen der untergehenden Sonne. Freut sich am pulsierenden Leben in und vor den Lokalen und Geschäften. Nur: Unsere Mutter ist halt vergesslich. Und wir Kinder leben über 100 Kilometer entfernt.
Und dann ist es passiert: Wir rufen wie immer abends bei ihr an. Keiner geht ans Telefon. Vielleicht hat sie es nicht gehört. Erneuter Anruf. Niemand nimmt ab. Ist sie gestürzt? Liegt sie hilflos in der Wohnung? Ist sie noch unterwegs?
Nach weiteren erfolglosen Versuchen blitzt der Gedanke auf: „Ob wir die Nachbarin aus dem Stockwerk drunter anrufen. Sie bitten, einmal bei der Mutter zu klingeln und nach dem Rechten zu sehen?“ Doch: Ist das nicht eine Zumutung? Wir kennen uns doch gar nicht. Kann man das einer fast Fremden zumuten?
Wie wohltuend war dann die Reaktion der Angerufenen: „Das sei doch selbstverständlich.“
Für uns war es eine Riesenhilfe. Ja unsere Mutter saß noch auf der Bank. Erstaunt, dass es schon nach 9 Uhr war. Na, dann müsse sie ja aber wirklich hoch in ihre Wohnung gehen ...
Was waren wir erleichtert und dankbar, dass wir die Nachbarin behelligen durften. Ja, sie bot sogar an, wenn wieder einmal etwas sei, dürften wir immer gerne auf sie zukommen ...
Unser guter Engel. Ein sehr irdischer Engel. Ganz ohne Flügel. Aus Fleisch und Blut. Mit einem guten Herzen. Gott sei Dank gibt es sie. Diese Engel.
