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Spur des Lebens
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Spur des Lebens

Gabriele Heppe-Knoche
Ein Beitrag von Gabriele Heppe-Knoche, Evangelische Pfarrerin, Kassel
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Ein Gleichnis kommt mir als Mutter erwachsener Kinder immer wieder in den Sinn. Das steht im Thomasevangelium und geht so: Jesus sprach: Das Königreich des Vaters gleicht einer Frau, die einen Krug voller Mehl trug. Während sie auf einem weiten Weg ging, brach der Henkel des Kruges, das Mehl rann hinter ihr auf den Weg. Sie bemerkte es nicht, sie hatte kein Unheil wahrgenommen. Als sie in ihr Haus kam, stellte sie den Krug nieder und fand ihn leer.

Die Frau hinterlässt auf ihrem Weg eine Spur und merkt es nicht. Dieses Gleichnis stößt bei mir die Frage an, welche Spur ich mit meinem Leben hinterlasse und ob sie jemand aufnimmt. Meine Kinder sind inzwischen aus dem Haus gegangen. Habe ich ihnen das Nötige mitgegeben für ihr Leben? Einen aufmerksamen Blick für andere Menschen, Selbstvertrauen und dazu auch Gottvertrauen. Wie vermittelt man das? Wie vermittelt man eine christliche Lebenshaltung, wie vermittelt sich Glaube?

Das Gleichnis gibt eine verblüffende Antwort auf diese Frage. Unbemerkt geschieht es. Die Spur breitet sich aus, ohne dass ich es bewusst will. Und ob sie aufgenommen wird, kann man nicht ohne weiteres erkennen, selbst bei den eigenen Kindern nicht.

Wir wissen aus der Pädagogik, dass gerade das, was sich nicht nur in Worten ausdrückt, eine nachhaltige Wirkung ausüben kann. Wie begegnet mir der andere? Ist er glaubwürdig, stimmen Reden und Tun überein? Diese Eindrücke sind wichtige Botschaften und übertragen sich auf unmittelbare Weise. Unbewusst zeigen wir, woran wir in unserem Leben hängen, was Triebfeder unseres Handelns ist. Und andere spüren es uns ab. Ahnen und erkennen die Spur, die wir legen. Unbemerkt wie bei der Frau, die erst zuhause merkt, dass ihr Lebensmittel, alles Mehl verstreut ist.

Das ist beunruhigend. Oft handelt man spontan. Aber ob einer offen ist gegenüber Menschen oder eher misstrauisch, freigiebig oder geizig, mutig oder ängstlich, das unterliegt keiner Willensentscheidung. Fast immer liegt es in seiner Persönlichkeit begründet und ist aus Erfahrungen entstanden. Man kann also die Spur, die man legt, nicht planen. Sie entsteht einfach und darin zeigt man viel von sich.

Bei allem Bemühen, Überzeugungen und auch Glauben weiterzugeben, hat man es nicht in der Hand, was andere als Spur aufnehmen. Aber dem Gleichnis kann man entnehmen, dass Gott auch in dem, was verloren scheint, seinen Weg in die Welt nimmt, dass Gott aus dem, was aus den Händen gleitet, sein Reich aufgehen lassen kann. Gott bewirkt, dass die Spur von anderen aufgenommen wird und Verlangen nach mehr weckt. Für mich genügt es zu wissen: Ich habe alles gegeben. Der Krug ist leer geworden. Und Gott wird dafür sorgen, dass es nicht vergeblich war.

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