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Christian Führer und der 9. Oktober
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Christian Führer und der 9. Oktober

Gabriele Heppe-Knoche
Ein Beitrag von Gabriele Heppe-Knoche, Evangelische Pfarrerin, Kassel
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Heute haben wir den 9. Oktober. Dieser Tag gilt als zentrales Datum der friedlichen Revolution in der DDR. Sie führte zunächst zu einer Öffnung der Grenze und später zur Wiedervereinigung der beiden Teile Deutschlands. Diesen Tag verbinde ich auch mit dem Namen Christian Führer. Sein Glaube und seine Überzeugungskraft wurden am 9. Oktober 1989 vielleicht am meisten gebraucht.

Christian Führer war zu der Zeit Pfarrer an der Nikolaikirche in Leipzig und damit mitten im revolutionären Geschehen. Schon Anfang der 80er Jahre gab es Friedensgebete in der Nikolaikirche mit Jugendlichen aus der Friedensbewegung. Da ging es um Aufrüstung zwischen Ost und West und um die Stationierung von Mittelstreckenraketen. Die Nikolaikirche gab der Kritik und dem Protest einen Raum. Hier durfte man sich äußern – im Gottesdienst und im Gebet. Zunächst hat das nicht viel Aufsehen erregt. Aber im Lauf der Jahre entdeckten manche, die die staatliche Bevormundung und Bespitzelung nicht mehr ertragen konnten, dass auch sie ihre Anliegen in diesen Freiraum der Nikolaikirche einbringen konnten. Und so kamen immer mehr Leute zu den montäglichen Friedensgebeten.

Dass das möglich war, auch wenn es inzwischen das Missfallen der Behörden erregte, war auch ein Verdienst von Christian Führer. Sicherlich nicht von ihm allein. Auch seines Kollegen, auch des Kirchenvorstandes und von anderen. Aber ich denke deshalb immer zuerst an ihn, weil ich ihn einmal persönlich erlebt habe. Wir hatten ihn eingeladen zu einem Vortrag. Und er kam. Ein freundlicher Herr mit Bürstenhaarschnitt, mit wachen Augen und sehr bescheiden.

Er erzählt nicht mit großen, markigen Worten. Und doch wird uns Zuhörern schnell klar, welche Last und welche Verantwortung er in diesen schwierigen Tagen auf seine Schultern genommen hat. Er erzählt davon, wie der Staat auf ihn und andere Verantwortliche Druck ausübte. Aber die Friedensgebete fanden weiter statt. Die Kirche muss sich einmischen, sagt er, und begründet es ganz biblisch. „Ihr seid das Salz der Erde“, sagt Jesus in der Bergpredigt. Auf die Bergpredigt bezieht Christian Führer sich immer wieder. Besonders wichtig ist ihm Jesu Absage an die Gewalt. Keine Gewalt! Diese Parole, die die Demonstranten nach dem Friedensgebet auf ihrem Marsch durch Leipzig skandieren, ist vielleicht sein Beitrag zur friedlichen Revolution gewesen.

Christian Führer erinnert mich daran, dass es nicht gleichgültig ist, was ein Einzelner tut. Es müssen nicht diese dramatischen Umstände sein. Auch in persönlichen Zusammenhängen oder im beruflichen Umfeld braucht es Menschen, die sich nicht vor der Verantwortung wegducken. Zur richtigen Zeit das richtige Wort sagen, darauf kommt es an. Manchmal braucht man dafür viel Mut und Gottvertrauen, wie es Christian Führer hatte.

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