Projektionen
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Projektionen

Dr. Joachim Schmidt
Ein Beitrag von Dr. Joachim Schmidt, Evangelischer Pfarrer, Darmstadt

Wer nachts durch das Rhein-Main-Gebiet fährt, kann gelegentlich merkwürdige Erscheinungen beobachten. Da stechen tanzende bunte Lichtfinger gen Himmel und malen Kreise und Figuren an die Wolkendecke. Es sind Laserstrahlen auf den Dächern von Diskotheken, die – offenbar erfolgreich – Besucher anlocken sollen. Manchmal sehen sie sogar aus wie ein leises Feuerwerk.

Schon immer haben die Menschen gerne an den Himmel gemalt, was sie auf der Erde erreichen wollten. Die Psychologie hat dafür das treffende Wort Projektionen gefunden, und auch die Theologie weiß längst, dass viele alte und lieb gewordene Vorstellungen von Gott und Jesus wohl nichts Anderes sind als an den Himmel geworfene menschliche Bilder, die in Wahrheit hier auf der Erde ihre Wirkungen entfalten sollten. Meistens war dann der Umweg über den Himmel sogar der Versuch, Gott für die eigenen, höchst irdischen Interessen einzuspannen.

Probiert wird das bis heute. Deshalb ist höchste Wachsamkeit geboten, wenn bei menschlichen Unternehmungen der göttliche Beistand allzu geradlinig vorausgesetzt oder gar herab kommandiert werden soll. Das Bild eines Gottes, der jedem Treiben der Menschen schon kopfnickend zusehen wird, wenn sie sich nur ausdrücklich auf ihn berufen, und der vielleicht sogar Vergnügen an Hinrichtungen hat, das gehört tief in die Mottenkiste der üblen geistesgeschichtlichen Irrtümer.

Gott ist eben nicht für alles und jedes in Anspruch zu nehmen; nicht für die Kreuzzüge und die Hexenverfolgungen, nicht für die Inquisition und die angeblichen Religionskriege bis in unser Jahrhundert. Weder auf Koppelschlössern, noch für Parteiprogramme ist er zu vereinnahmen.

Das Gleiche gilt auch für die selbst ernannten größenwahnsinnigen Gotteskrieger unserer Zeit, die den Namen ihres Gottes als Rechtfertigung für Krieg und grauenvollen Terror missbrauchen. Wer auch immer derart vollmundig Gott und den Himmel für brutale machtpolitische menschliche Ziele in Anspruch nimmt, der überhebt sich gewaltig. Die Juden und die ersten Christen wussten schon, warum sie als Anrede für Gott das demütige Wort „Herr“ wählten. Denn sie wussten, dass unbegrenzte Machtfülle nur Gott, niemals Menschen zustand.

Ausschließlich Gebete mit Lob und Dank, Klage und Protest, Bitte und Fürbitte sind seit alters her die angemessenen Umgangsformen für alle, die den Namen Gottes anzurufen wagen. Übrigens auch die Grundformen jedes christlichen Gottesdienstes. Deshalb bezeugen Christen in aller Welt jeden Sonntag in ihren Gottesdiensten ihren Glauben an die alles umfassende Wirklichkeit Gottes. Das ist viel mehr als alle menschlichen Projektionen und erst recht als die irrlichternden Licht-Finger, die manchmal im Rhein-Main-Gebiet den Weg zu den Diskotheken weisen.
 

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