Der gerechte König
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Der gerechte König

Dr. Ursula Schoen
Ein Beitrag von Dr. Ursula Schoen, Prodekanin, Evangelisches Stadtdekanat Frankfurt

Im Mittelalter zogen die Könige mit großem Gefolge in die Städte ihres Reiches ein. Das war jedes Mal ein Stadtevent: Die Macht des Königs wurde hier regelrecht in Szene gesetzt. Dieser Mann ist reich. Dieser Mann ist stark. Er kann das Land führen. Er sorgt für Frieden. Er wacht über die Gerechtigkeit und das Recht.

Heute ist das in den Demokratien Europas anders: Das Volk wählt seine Regierung. Grundgesetz und Verfassung ordnen ein Land. Könige und Königinnen spielen, wenn überhaupt, eine bescheidene Rolle. Sie sprechen nicht mehr Recht, dafür sollen sie repräsentieren. Sie müssen das Land nicht verteidigen, aber sie sollen ein möglichst vorbildliches Familienleben führen.

Wir leben nicht mehr im Mittelalter. Aber die Frage bleibt virulent, wer stark genug ist, um ein Land zu führen, wer für eine gute Zukunft sorgen kann. Der neue US-Präsident Donald Trump hat sich in seinem Wahlkampf präsentiert als der starke Mann, der Amerika wieder groß machen kann. Er sagt von sich selbst: „Ich werde der beste Präsident sein, den Gott je geschaffen hat.“

Ein Präsident, ein König von Gottes Gnaden. Braucht es das? Die Frage durchzieht auch das ganze Alte Testament. In politischen Krisenzeiten erwacht dort immer wieder die Sehnsucht nach dem gerechten König, dem Messias. Die biblischen Texte erzählen von der Hoffnung der Leute, die politisches Chaos erleben und sich als Opfer ungerechter Verhältnisse empfinden. Sie haben Krieg und Vertreibung hinter sich und wünschen sich einen starken Mann. Den Retter, den Gott selbst einsetzen wird. Ein König von Gottes Gnaden.

In der Bibel steht die große Vision: Ein König wird kommen, der gut regiert. Er wird Recht und Gerechtigkeit im Land verwirklichen. Er setzt eine neue Ordnung ein. Menschen finden Schutz und Sicherheit. Die Propheten Jeremia und Micha beschreiben diese Zukunft so. Christen glauben, dass in Jesus Christus diese Hoffnung wahr geworden ist. Er ist der König, der den Menschen gerecht wird, der ihre Sehnsucht kennt und Frieden bringt.

Dieser Glaube hat Menschen durch Jahrhunderte getragen: Gott stellt uns einen Retter zur Seite. Keinen mächtigen fernen König, sondern einen Menschen, der für mich eintritt. Die Sklaven in Amerika im Kampf um ihre Bürgerrechte. Die Häftlinge in den Konzentrationslagern. In Deutschland begegnet er mir heute bei Menschen, die um ihr Bleiberecht kämpfen, Flüchtlinge und entwurzelte Menschen. Sie hoffen auf jemanden, der an ihrer Seite steht und ihnen zu ihrem Recht verhilft. In ihren Augen werden Beraterinnen und Rechtsanwälte zu kleinen Königen, die genau diese Macht zu haben scheinen.

Für mich dreht das die Frage nach dem einen König um. Ich selber kann für anderen der König, die Königin sein. Ich kann mich an ihre Seite stellen. Ihnen weiterhelfen und mich für sie einsetzen und damit die Hoffnung stark machen.

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