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Fegefeuer
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Fegefeuer

Kurt Grützner
Ein Beitrag von Kurt Grützner, Evangelischer Pfarrer i. R., Kassel
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Mit frisch gewaschener Bettwäsche das Bett neu Beziehen. Neuer Schlafanzug. Und dann vorm ins Bett gehen nochmal ausgiebig duschen oder gar in die Badewanne. Und dann ins frischgemachte Bett. Herrlich. Seit Kindestagen liebe ich es bis heute.
Kennen Sie das auch?

Ich glaube, wir haben ein Gefühl dafür, dass es Situationen oder Orte gibt, wo wir uns gerne sauber fühlen wollen. Darum gibt es ja auch den Frühjahrsputz, oder die Straßenschuhe vor der Tür lassen. Oder vor einem wichtigen Treffen. Sich gereinigt fühlen.

Katholiken kennen einen solchen Reinigungsort. Lateinisch heißt er Purgatorium. Im Volksmund: Fegefeuer. Was hat Luther vor 500 Jahren gegen diese Vorstellung gekämpft. Im Grunde war es der Auslöser der Reformation.

Mit den Katholiken verbindet mich nicht der Glaube ans Fegefeuer, aber eins ist uns gemeinsam: Wir glauben an das ewige Leben in der Gemeinschaft mit Gott. Das ist für mich so ein Ort, so eine Situation, in die ich von mir aus gerne hineingehen würde, so wie in mein herrlich frisches Bett. Ich glaube, dazu gehört, dass ich sehen muss, wie mein Leben wirklich war.

Menschen, die dem Tod schon mal sehr nahe waren berichten, dass sie ihr Leben wie einem Film nochmal gesehen haben. Könnte das so ein Reinigungsort sein? Ich muss noch einmal sehen, wie es wirklich war mit meinem Leben. Wirklich! Sozusagen mit den Augen Gottes. Ich könnte mir vorstellen, dass Situationen, in denen ich ganz stolz auf mich war und meine, alles richtig gemacht zu haben, in seinen Augen ganz anders aussehen. Und umgekehrt.

Sehen, wie mein Leben wirklich war. Ich glaube, diesen Reinigungsprozess muss und will ich durchmachen, bevor ich Gott gegenübertrete. Und ich vertraue darauf, dass er mich gnädig ansieht.

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