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Streiten will gelernt sein
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Streiten will gelernt sein

Kurt Grützner
Ein Beitrag von Kurt Grützner, Evangelischer Pfarrer i. R., Kassel
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Streiten will gelernt sein. Kain und Abel - laut Bibel die Söhne der ersten Menschen Adam und Eva, konnten das nicht. Der eine Bruder bringt den anderen um. Und das gibt es bis heute. „Häusliche Gewalt“ heißt das im Polizeijargon.

Streiten gehört aber zum Leben irgendwie dazu. Auch in Familien. Auch in meiner. Und weil wir vier alle recht temperamentvoll sind, kann es auch schon mal recht laut dabei zugehen. 

Wir haben es uns zur Regel gemacht, dass wir uns nicht einfach nur wieder oberflächlich versöhnen, sondern wir setzen uns am nächsten Tag alle zusammen und schauen aus diesem Abstand noch einmal darauf, was da eigentlich los war.

Meine Frau hat eine für diese klärenden Gespräche sehr hilfreiche Angewohnheit: Sie führt nicht einfach nur Tagebuch. Sie schreibt besondere und intensive Ereignisse in ein Buch. Meistens sind es - Gott sei Dank - schöne. Aber unsere Streits schreibt sie auch auf. Und so erinnern wir uns, wie es bei vorangegangenen Streits so war. Wir stellen Muster fest. Irgendwie laufen unsere Streits immer ähnlich ab.
Das wollen wir nicht mehr. Im Streiten wird ja ziemlich viel Energie frei. Die wollen wir nutzen, unser Zusammenleben so zu gestalten, dass alle zufrieden sind.
Wir haben uns ein Erinnerungswort ausgemacht, um aus der Streitspirale aussteigen zu können. Es erinnert uns daran, dass wir uns nicht zerstören wollen. Und wir erinnern uns immer gleich, wenn sich in alltäglichen Worten oder Gesten wieder ein altes Muster meldet. Die Kinder machen auch mit: „Seht ihr“, sagte die 13-jährige letztens: „Damit fängt es immer an.“ Wir mussten laut lachen und das Muster war besiegt.
Das hätte wahrscheinlich auch Kain und Abel vor der schlimmen Tat bewahren können.  Uns bewahrt es vor unsinnigen Streits, die immer denselben Mustern folgen. Wir nutzen die Energie des Streits lieber, um gemeinsam weiter zu kommen. Und so bringt uns jeder Streit einen Schritt voran.

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