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Ungerecht! Das gleiche für alle

Ungerecht! Das gleiche für alle

Ein Beitrag von Alrun Kopelke-Sylla, Pfarrerin, Echzell

Meine kleine Nichte stand vor mir mit einem ganz entschlossenen Gesicht. „Das ist total ungerecht! Die anderen haben was Süßes. Und was krieg ich?“ Die Entrüstung war ihr anzusehen. Ich musste schmunzeln. Denn wir hatten besondere Süßigkeiten aus Südamerika, die wir mit allen geteilt haben. Alle haben sie angeboten bekommen. Alle haben probiert. Fast allen hat es geschmeckt. Nur meiner Nichte nicht. Ich fand das schon interessant: Alle bekommen das gleiche angeboten. Gleicher geht es doch nicht! Aber weil meine Nichte das nicht mag, findet sie es ungerecht. Und wie!

Aber was ist denn gerecht? Damit beschäftigen sich Menschen seit jeher. Auch in einer Geschichte, die Jesus erzählt, geht es um diese Frage. (Matth. 20,1-16) Da heuert ein Weinbauer Tagelöhner an, die in seinem Weinberg arbeiten. Die ersten beauftragt er frühmorgens und ist sich mit ihnen einig über den Lohn. Andere fangen erst Mittags oder Nachmittags an, zuletzt, eine Stunde vor Arbeitsschluss stoßen noch weitere Arbeiter dazu. Am Ende bekommen alle den vereinbarten Lohn. Auch die, die nur eine Stunde gearbeitet haben Die ersten sind darüber ungehalten.

Schließlich haben sie viel länger gearbeitet! Doch der Weinbergbesitzer sagt: Moment mal, wir hatten uns doch am Morgen auf diesen Tageslohn geeinigt, und den hast du bekommen. Ärgerst Du Dich, weil ich so gütig bin? Rein marktwirtschaftlich ist es schwer, diesen Weinbergbesitzer zu verstehen. Da kommt man schon ins Grübeln, ob und wann man sich bei ihm verdingen soll. Aber die Arbeiter bekommen tatsächlich, was Ihnen versprochen wurde. So gesehen ist es gerecht.

Diese Geschichte, die Jesus vom Winzer und dem Lohn erzählt hat, wirft ein neues Licht auf den Begriff „Gerechtigkeit“. Denn allzu leicht nehmen wir einfach uns selbst als Maßstab, und dann halten wir es für gerecht, wenn es uns besser geht als anderen. Auf keinen Fall darf es uns aber schlechter gehen. Das meint meine Nichte, und damit ist sie nicht allein. Aber Gottes Maßstäbe, das macht die Bibel deutlich, sind anders, und manchmal überraschend. Und oft fordern sie uns auf, unser Denken zu hinterfragen.

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