Heilung eines Taubstummen
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Heilung eines Taubstummen

Dr. Anke Spory
Ein Beitrag von Dr. Anke Spory, Evangelische Pfarrerin, Bad Homburg-Gonzenheim

Der Evangelist Markus erzählt die Geschichte einer Heilung. Sie beginnt so: Sie brachten zu Jesus einen, der taub und stumm war. Wer den Taubstummen zu Jesus bringt, wird nicht gesagt. Freunde, Angehörige? Auf jeden Fall Menschen, die die Not dieses Menschen wahrgenommen hatten. Die zumindest eine Ahnung davon haben was es heißt, nicht hören und nicht reden zu können.

Gehörlos zu sein, trennt von den Menschen. Jedenfalls war es damals so, wo es keine medizinische Hilfe gab. Aber es ist bis heute so: Wenn man nicht ausdrücken kann, was man mitteilen möchte, macht das einsam, manchmal auch ohnmächtig oder wütend.

Manche können nicht hören und nicht reden aufgrund einer körperlichen Behinderung. Andere hören im übertragenen Sinn nicht mehr, weil sie dicht gemacht haben wegen der seelischen Spannung in ihnen selbst. Dass jemand wie taub und stumm ist, davon spricht man auch da, wo Reden und Hören rein körperlich funktionieren. Manchmal erleben das Eltern mit ihren Kindern: Da macht ein Sohn dicht, keiner kommt mehr an ihn heran. Oder eine Tochter verkriecht sich und verwehrt jede Aussage über sich. Da verstummt das Gespräch zwischen Eheleuten, die sich nicht mehr viel zu sagen haben.

In der biblischen Geschichte heißt es weiter: Jesus nahm ihn aus der Menge beiseite. Jesus zerrt diesen Menschen nicht ins Rampenlicht. Er benutzt ihn nicht, um sich selbst groß zu machen. Er nimmt ihn beiseite, schirmt ihn ab von den Augen der anderen. Er eröffnet einen Schutzraum. Ein erster wichtiger Punkt: einen Schutzraum schaffen, damit Heilung möglich wird.

Dies ist der tiefe Sinn, warum Menschen, die mit Prozessen der Heilung befasst sind, einer Schweigepflicht unterliegen. Ärzte, Seelsorger oder Therapeuten dürfen die persönlichen Daten ihrer Klienten nicht preisgeben. Heilung kann nur in einem Schutzraum geschehen. Es unterliegt allein den Betroffenen, inwieweit sie dies öffentlich machen. Das gilt beim Arzt oder der Seelsorgerin genau so, wie sich jemand einer Freundin oder einem Freund anvertraut. Ich will mich darauf verlassen können, dass der andere sein Wissen nicht weitergibt.

Was Jesus in der Geschichte nun tut, kommt wahrscheinlich vielen befremdlich vor. Jesus legt den Finger in die Wunde. Er fasst den Menschen an, er befasst sich mit. Wie heilsam das ist, das merkt man spätestens dann, wenn der Arzt nicht nur die Blutwerte oder den Cholesterinspiegel sieht, sondern hinsieht, zuhört und nachfragt. Jesus lässt sich auf diesen Taubstummen ein. Darin liegt das Besondere, das Heilende.

Seit biblischen Zeiten gibt es viel medizinischen Fortschritt, Gott sei Dank. Aber damals wie heute bleibt wichtig: Damit etwas heil werden kann, brauchen Menschen andere Menschen. Die aufmerksam sind und Hilfe suchen. Die Schutzräume bieten. Vor allem, die bereit sind, sich anderen zuzuwenden. Nicht jeder kann alles auf einmal, wie Jesus das getan hat. Aber etwas davon ist mir möglich.

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