Verloren - gefunden
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Verloren - gefunden

Martin Vorländer
Ein Beitrag von Martin Vorländer, Evangelischer Pfarrer und Senderbeauftragter für den DLF, Frankfurt

Durchsage in einem großen Möbelhaus: „Der kleine Moritz hat seine Eltern verloren und möchte bitte im Kinderparadies abgeholt werden.“ Wenige Minuten später klingt Durchsagestimme schon angespannter: „Der kleine Moritz wartet immer noch im Kinderparadies auf seine Eltern.“

Das ruft Erinnerung wach, wie es war, als Kind verloren zu gehen. Man hatte vor sich hingeträumt, wollte auf dem Fliesenboden nur in die Kästchen und nicht auf die Linien treten. Als man den Kopf wieder hebt, sind die Eltern weg. Schreck lass nach! Überall nur Füße und Beine von Fremden. „Hast du deine Eltern verloren?“, fragt jemand. Jetzt bloß nicht weinen, tapfer sein, aber schon schießen dicke Tränen in die Augen. Vor Angst, verloren gegangen zu sein, kriegt man keinen Ton heraus. Da tauchen wie aus dem Nichts Mutter und Vater wieder auf. Sie waren nur eine Ecke weiter. Mit einem Mal ist die Welt wieder in Ordnung. Man wirft sich erleichtert in die Arme der Eltern, wird vom Vater nach oben gehoben.

Auch Jesus ist seinen Eltern einmal verloren gegangen. Er war nicht mehr ganz so klein, zwölf Jahre alt und durfte zum ersten Mal mit seinen Eltern zum Passafest nach Jerusalem. Als alle wieder in die Heimat nach Nazareth zurückkehren wollen, ist Jesus weg. Schreckliche drei Tage lang suchen Maria und Josef, bis sie ihn endlich finden. Jesus sitzt seelenruhig im Tempel bei den Schriftgelehrten. Als seine Mutter ihn aufgelöst fragt: „Mein Sohn, warum hast du uns das getan?“, sagte er: „Warum habt ihr mich gesucht? Wisst ihr nicht, dass ich sein muss in dem, was meines Vaters ist?“ (Lukas 2,41-52) Mal ehrlich: Der zwölfjährige Jesus klingt ganz schön frühreif.

Was Jesus schon als Kind auszeichnet, ist das Vertrauen: Gott ist mein Vater. Ich kann nicht verloren gehen. Zu jeder Zeit und an jedem Ort gehöre ich zu ihm. Dieses Gottvertrauen schenkt der erwachsene Jesus seinen Jüngerinnen und Jüngern. Er lehrt sie beten: „Vater unser im Himmel“. Gott ist nicht ein majestätisch-ferner Herrscher, sondern ein wirklich himmlischer Vater, der jedem Menschen ganz nahe ist.

Auch wenn man fürs Kinderparadies zu groß und erwachsen geworden ist, kann man der Welt abhandenkommen. Da hilft das Vertrauen, das Jesus gelebt hat: Ich kann nicht verloren gehen. In keiner Bredouille, in die ich gerate oder mich selbst bringe, lässt Gott mich im Stich. Und wenn ich mich noch so weit verrannt habe. Bis in den letzten Winkel geht Gott mich suchen und zeigt mir einen Weg, den ich gehen kann. Gott hebt mich hoch auf seine Schultern, damit ich wieder souverän ins Weite schauen kann.

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