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Vom Glück zu finden
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Vom Glück zu finden

Gabriele Heppe-Knoche
Ein Beitrag von Gabriele Heppe-Knoche, Evangelische Pfarrerin, Kassel
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Mein Sohn ist von klein auf ein Finder gewesen. Von langen Waldspaziergängen mit seinem Großvater brachte er immer irgendetwas mit, was er unterwegs gefunden hatte. Etwas ganz Besonderes natürlich. Im Regal in seinem Zimmer und auf der Fensterbank konnte man das alles bewundern. Die Dose mit den blauen Federn vom Eichelhäher und der großen Indianerfeder vom Bussard, Schneckenhäuser in allen Farben, besonders geformte Wurzeln und Steine. Was der Junge alles sieht, sagte mein Vater immer voller Begeisterung.

Als er größer wurde, fand er auch mal eine verlorene Geldbörse und eine Flaschenpost, die sich am Flussufer verfangen hatte und dort vermutlich schon monatelang festhing. Du hast immer ein Glück, sagten die Schwestern. Und heute als Erwachsener „findet er“ in gewisser Weise immer noch: interessante Bilder und Szenen, die er fotografiert. Manchmal findet er auch Menschen, mit denen er ein paar Worte hin und her wechselt. Das alles auf die gleiche Weise wie als Kind. Er trifft sie zufällig auf dem Heimweg zu Fuß durch die Stadt oder in der Bahn. Er sucht nicht danach. Er findet. Und das ist ein Unterschied.

Wer etwas sucht, der hat etwas Bestimmtes vor Augen. Er hat ein Ziel und versucht es zu erreichen. Das ist nicht immer einfach. Denn manchmal findet man einfach nicht das Richtige. Als ich vor Weihnachten Geschenke besorgt habe, da bin ich auch ziemlich lange auf der Suche gewesen nach einer Teekanne. Nicht zu groß, aber auch nicht zu klein sollte sie sein. Eher schlicht in der Form und beim Gießen darf sie nicht tropfen. Ich habe viele in die Hand genommen, bis ich mich dann für eine entschieden habe, die meinen Vorstellungen genau entsprach. Vieles im Leben suchen wir so. Wir sehen genau hin, wir wägen ab und probieren, wir vergleichen. Bis wir dann am Ende das Richtige haben. Das macht zufrieden.

Aber etwas finden – das geht anders. Das plant man nicht, das fällt uns meistens einfach vor die Füße. So als hätten die Dinge, die Menschen eher uns gesucht. Da kommt auf einmal etwas in den Blick, jemand läuft uns über den Weg, – eine Gelegenheit. Oft habe ich dann keine Zeit, um genauer hinzusehen oder ein Gespräch zu beginnen. Vielleicht nehme ich mir auch einfach nicht die Zeit, weil ich mir davon nichts verspreche. Aber leider entdecke ich dann auch nichts Überraschendes, erlebe nichts Neues. Mein Sohn zeigt mir, wie gut es sein kann wache Augen und Ohren für solche Situationen zu haben. Wenn ich mich einlasse, kann ich vielleicht auch etwas finden, etwas.

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