Friedenslicht von Bethlehem

Friedenslicht von Bethlehem

Gabriele Heppe-Knoche
Ein Beitrag von Gabriele Heppe-Knoche, Evangelische Pfarrerin, Kassel

Schon seit über einem Jahr liegt sie in der Schublade bei mir im Schrank. Eine weiße Stumpenkerze mit dem roten Aufdruck: Friedenslicht aus Bethlehem. Beim Aufräumen ist sie mir jetzt wieder in die Hand gekommen. Meine Nachbarin hat sie mir im vorletzten Jahr vor Weihnachten gebracht. Sie war am Bahnhof und hatte dort Licht aus Bethlehem geholt, das die Pfadfinder jedes Jahr in einer großen Aktion weiterreichen. In der Geburtskirche wird es entzündet, dann wird das Licht in einer Laterne nach Wien geflogen und von dort mit der Bahn von vielen Pfadfindergruppen in alle Himmelsrichtungen weiterverbreitet. Auch an unserem Bahnhof wird dieses Licht jedes Jahr am dritten Advent aus dem Zug herausgereicht. Menschen, die am Bahnhof warten, entzünden daran ihre mitgebrachten Kerzen.

Als ich die kleine Kerze nun in der Hand halte, fällt mir meine Reise nach Israel und mein Besuch in Bethlehem wieder ein. Die schöne alte Stadt, die Stadt in der Jesus geboren ist. Mit der großen und meist von Touristen überfüllten Geburtskirche, aber auch mit einem großen Basar voller Läden und Menschen, der sich in engen Gassen den Hügel hinaufzieht.

Heute ist Bethlehem umgeben von einer hohen Mauer mit Stacheldraht. Schon damals fuhren wir mit dem Bus durch einen scharf bewachten Grenzübergang. Für mich als Deutsche, die solche Mauern im eigenen Land noch erlebt hat, ist es ein erschreckender Anblick. Er zeigt mir, dass ich mich dort in einem Land bewege, das von Frieden weit entfernt ist. Unser palästinensischer Reiseführer erzählt uns von der schwierigen Situation in und um Bethlehem, von israelischen Siedlern auf palästinensischem Gebiet, von den Mühen, täglich über diese Grenze nach Jerusalem zur Arbeit zu kommen. Seine Erzählungen und das Bild der Stacheldrahtmauer vergesse ich nicht.

Zwei Tage nachdem wir nach Deutschland zurückgekehrt sind, brach der schwelende Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern offen aus. Seit fast anderthalb Jahren fordert er Woche um Woche Menschenleben. Auf beiden Seiten.

Ich stelle die kleine Kerze in einem Glas auf den Esstisch. Jeden Morgen nehme ich mir einen Moment Zeit, zünde das Friedenslicht an und denke an die Menschen in Israel und Palästina, in Jerusalem und Bethlehem. Ich denke an die wunderbare Landschaft mit uralten Olivenbäumen, ich denke an die jungen Soldaten an der Grenze, ich denke an die Menschen im Basar und an die Wohnwagen der Siedler, die wir von Weitem gesehen haben. Ich spreche ein kurzes Gebet. Ich bete, dass der Friede, den das Friedenslicht bringen soll, auch dort beginnt.

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren