
Eigentlich
„Eigentlich ist eigentlich ein Wort, das es eigentlich nicht gibt.“ Etwas fragend schaue ich meine Kollegin an. Dann blicke ich auf meinen Text, den ich ihr zum Korrekturlesen gegeben hatte. „Streich dieses Wort einfach, und deine Aussage wird viel klarer“, riet sie mir.
In der Tat. Eigentlich könnte ich … nein, ich kann es weglassen! Und sie hat recht: Manchmal werde ich klarer, wenn ich nicht alles vorsichtig einschränke, was ich sage oder schreibe. Denn hinter jedem „Eigentlich“ steht ein „Aber“, eine Einschränkung.
Magst du noch etwas Gemüse? – Eigentlich mag ich kein Gemüse.
Hast du mich lieb? – Eigentlich ja.
Hast du Zeit für mich? – Eigentlich ist es gerade schlecht.
So ein Wort relativiert das, was ich sage oder stellt es sogar in Frage. Das kann höflich und diplomatisch wirken. Es kann aber auch verwirren. Klartext reden hingegen erfordert Mut. Es kann mich angreifbar machen, weil ich mich positioniere und ohne Umschweife meine Meinung sage.
In der Bibel heißt es: „Deine Rede sei Ja oder Nein; alles andere ist von Übel.“ (Matthäusevangelium 5 Vers 37). Dahinter steht die Aufforderung eindeutig und aufrichtig zu sein.
Mir imponieren Menschen, die das können. Oft sind es nicht sehr bequeme Menschen, aber ich weiß bei ihnen, wo ich dran bin. Da muss nicht lange um den heißen Brei herumgeredet werden. Es gibt weniger Missverständnisse, und ich werde nicht in falscher Hoffnung gehalten. So etwas kann unfair sein, und ist am Ende oft verletzend.
Noch mehr imponieren mir aber Menschen, die klare Worte finden und auch klare Worte anderer zulassen und damit umgehen können. Manchmal soll es ja auch vorkommen, dass sich jemand umstimmen lässt – dass aus einem klaren Nein ein klares Ja wird. Was es dazu braucht, sind klare Worte. Übertriebene Vorsicht und faule Kompromisse stellen am Ende niemanden zufrieden.
Darum wünsche mir den Mut, öfter mal ein freundlich-klares Ja oder Nein auszusprechen. Und ich wünsche mir auch den Mut, mich mit freundlich-klaren Worten korrigieren zu lassen, wenn es nötig ist. Das ist nicht nur fair, sondern zeigt auch innere Größe.