Gott sprach es werde laut
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Gott sprach es werde laut

Helmut Wöllenstein
Ein Beitrag von Helmut Wöllenstein, Evangelischer Pfarrer, Marburg

„Gott sprach es werde laut“, lese ich auf der Litfaßsäule.  Darauf ist ein Jesus zu sehen. Er hebt die Hand, grüßt und lächelt. Er macht Werbung für einen Radiosender, der gerne laut rüberkommt. Meine erste Reaktion: Ich freue mich, sein Bild zu sehen, hier draußen in der Stadt, wo Jesus sonst nie zu sehen ist.  Heute begegnet er mir gleich dreimal auf meinem Weg ins Büro.  Sicher werden sich viele aufregen. Dieser stille  Jesus  wird benutzt, um die wummernden Bässe aus den Autos junger Männer zu rechtfertigen. Oder dass die Radios jetzt bei den Grillfeten draußen die Amseln übertönen.  - Doch ich muss sagen, richtig ärgerlich finde ich es nicht. Eher amüsant und anregend:  Wie ist das denn nun,  hat Gott den Lärm geschaffen? Hat Gott seinen Spaß, wenn es laut wird?

Ich jedenfalls habe manchmal Spaß daran, wenn es laut wird, obwohl ich kein lauter Typ bin. Ich mag zum Beispiel Gewitter. Als Kind hatte ich immer Angst vor dem Donner. Heute finde ich es toll, wenn es mal richtig knallt überm Haus und die Scheiben klirren. Ich finde es herrlich am Meer zu stehen,  wenn die Brandung tost und man sein eigenes Wort nicht versteht.   Oder laute Passagen in einem Konzert, so dass es im Bauch vibriert. Ich erinnere mich auch an die Glocken einer bestimmten Kirche,  wie sie dröhnen, brummen, klopfen  und gellen.  Wenn man auf den Kirchturm zugeht, fährt einem der Klang durch den Körper wie ein Sturm.  Es ist, als würde einem  aller Staub von der Seele gefegt.  Deshalb kann ich gut verstehen, wenn Leute es laut mögen, sich von Musik durchspülen lassen und dabei alles vergessen. Davon wird auch in der Bibel erzählt. Gottes Nähe kann sich im Donner zeigen. Oder zum Pfingstfest kommt ein Brausen vom Himmel wie ein Sturm, der füllt das ganze Haus und gibt den Menschen neue, ungeahnte Kräfte. 

Aber selbst wenn es einem Spaß macht,  kommt es auf die Dosierung an. Immer lauter macht nicht immer lebendiger. Wer meint, der letzte Kick sei durch Lautstärke zu erzwingen, liegt daneben. Schlimm ist es nämlich dem Lärm ausgeliefert zu sein ist. Menschen können krank werden vom Krach. Nicht nur das Gehör, auch der Kreislauf und die Psyche nehmen Schaden.  Die Bibel spricht auch vom Höllenlärm. Sie weiß, dass wir immer auch die Stille brauchen, das Schweigen, die totale Abwesenheit jeglicher Geräusche. Das ist wie heilsamer Kontakt zu der Ur-Stille, die vor dem Ur-Knall  da war. Und die lässt sich erleben bis heute.  Jeder Klang, jeder Ton, jedes Wort  geht aus der Stille hervor und kehrt wieder in sie zurück.  Nur beides zusammen macht Sinn.  Das Laute und das Leise, die  Stille und der Klang. Erst ihr Zusammenspiel macht unser Leben schön.

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