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Kraut des Lebens

Kraut des Lebens

Gudrun Olschewski
Ein Beitrag von Gudrun Olschewski, Evangelische Pfarrerin, Pfungstadt

Wenn Renate in ihrem Kräuterbeet steht, ist sie in ihrem Element. Sie sprüht nur so vor Begeisterung. „Kennen Sie schon das Kraut des Lebens?“, ruft sie mir zur Begrüßung zu. „Nein?“ Dann müssen Sie das jetzt unbedingt probieren,“ und schon ermuntert mich die Fünfundsechzigjährige zum Selbstversuch. Als ich zögere, pflückt sie sich selbst ein Blatt, steckt es in den Mund, beginnt sanft zu lächeln und lässt es sich auf der Zunge zergehen. Ich folge ihrem Beispiel.

„Spüren Sie schon was?“, fragt Renate, und sie sagt: „Das Kraut des Lebens kommt aus der traditionellen chinesischen Medizin. Es heißt so, weil es die Nerven beruhigen soll und den Blutzucker senken, genauso wie den Blutdruck.“ Alles, was sie über Kräuter weiß, hat sie sich selbst angeeignet. Ich bin beeindruckt.

Einhundertfünfundzwanzig Kräutersorten beherbergt Renates Garten. Sie kennt sie alle mit Namen und nicht nur das. Zu jedem Blatt und zu jeder Blüte kennt sie eine Geschichte. Schon beim Zuhören läuft mir das Wasser im Mund zusammen und beim Blätterkauen denke ich an paradiesische Menüs. Neben Schnittlauch, Petersilie und Basilikum sind in Renates Garten auch ganz besondere Kräuter zu finden, wie eben das chinesische „Kraut des Lebens“.

Auch ein anderes, das den Stress abbauen soll. Und dazu eine nette Nebenwirkung hat: „Es tut der Liebe gut“, sagt die Kräuterfachfrau. Gerade noch hält sie einen Staudenfenchel in der Hand, der wie Lakritz schmeckt, schon pflückt Renate ein Blättchen Parakresse. „Schmeckt nach gar nichts“, rufe ich spontan. Doch nach etwa 10 Sekunden geht‘s los. In meinem Mund wird es scharf und immer schärfer. „Dennoch angenehm im Abgang“, schmunzelt Renate. Sie sprudelt geradezu und sagt zum Schluss: „Ich freue mich an der Vielfalt in meinem Garten und genieße sie mit allen Sinnen. Gott schenkt mir die Fülle, aus der ich schöpfen kann. Jeden Tag neu.“

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