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Schnelles Urteil

Schnelles Urteil

Ein Beitrag von Alrun Kopelke-Sylla, Pfarrerin, Echzell

Marion und Christian wollen heiraten. Ich hab mich gefreut, als ich das von meinen Freunden hörte. Die beiden sind schon lange zusammen. Aber je mehr ich über die Hochzeit erfahren hab, desto mehr hab ich den Kopf geschüttelt. Sie wollen unbedingt am Strand heiraten und haben dafür eine Finca in Spanien gemietet. All ihr Erspartes investieren sie. Und alle Gäste müssen auf eigene Kosten Hunderte von Kilometern anreisen. Was für ein Aufwand! Am spanischen Strand würden sich die Leute einfinden, die man auch sonst im Taunus trifft. Ich finde: „Schön heiraten kann man auch in Hessen“. Grundsätzlich gönne ich ihr von Herzen ihr Glück . Denn Marion war schwer krebskrank gewesen.Trotzdem scheinen mir diese Pläne zu pompös.

Vor der Hochzeit komme ich zufällig mit Marions Mutter ins Gespräch. Sie erzählte, dass Christian immer zu Marion gehalten hatte. Auch, wie schwer die Zeit der Chemotherapie war. Alle hatten um Marions Leben gebangt, es stand auf Messers Schneide. Als sie einmal so völlig kraftlos im Bett hing, hatte ihr die Mutter zugeflüstert: „Marion, du musst Dir jetzt irgendwas ganz Schönes vorstellen. Etwas, was Dir Kraft gibt. Etwas, wofür es sich zu leben lohnt!“ -  „Au ja“, hatte Marion geflüstert, „eine Hochzeit am Strand!“

Als ich das hörte, musste ich schlucken. Diese Hochzeit am Strand sollte gar nichts Pompöses sein. Es ist der Funke Hoffnung, der eine Sterbenskranke am Leben gehalten hat. Die Erfüllung des Über-Lebenstraumes. Hmm. Das gibt mir zu denken. Da hatte ich wohl deutlich zu schnell geurteilt. Und mir kommen die Worte aus dem biblischen Jakobus-Brief in den Sinn: „Wer bist du, dass du über deinen Nächsten richtest?“ (Jak 4,12) Viele weitere Stellen in der Bibel sagen das: Richte nicht über andere! Wohl aus gutem Grund. Wir neigen einfach zum schnellen Urteilen. Aber die Dinge sind oft nicht das, was sie zu sein scheinen.

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