Als Oma Else weinte
Oma Else weint, und ich bin schuld. Ich frage Oma Else nur nach dem Elternhaus. Schon muss sie weinen. Das ist lange verkauft, sagt sie mit Tränen in den Augen. Ich habe immer darin gelebt, als Kind, mit meinem Mann - aber jetzt habe ich nur noch Bilder davon, hier, schauen Sie mal. Sie zeigt mir Bilder vom Haus. Ich schaue und sehe - eben ein Haus, nichts Besonderes. Weißer Putz, direkt an der Dorfstraße, normale Fenster, kleiner Garten. Ein Haus wie tausend andere. Das sage ich nicht. Ich sehe ja die Tränen der Oma Else und höre, wie sie leise sagt: Das Haus ist ganz besonders für mich.
Der kleine Moritz dagegen lacht laut. Er hat seinen Teddy auf dem Arm, kuschelt ihn, gibt ihm einen Kuss, wirft ihn in die Luft und fängt ihn auf. Mein lieber, lieber Teddy, ruft er dabei. Ich sehe nur ein Stofftier mit Flecken, einem Loch im Bauch und schiefem Mund. Moritz aber ist begeistert, kann den Teddy nicht mehr loslassen, weder am Tag noch in der Nacht. Für ihn ist der Teddy besonders, seine ganze Welt. Ich bin nüchtern, sehe verdutzt den kleinen Mann und weiß nicht, was ich sagen soll.
Ich spüre aber, was diese beiden mir ohne Worte erzählen. Nämlich: Besonders ist, was geliebt wird. Was für mich Flecken und Fransen hat oder Fenster und Türen wie alle Häuser, ist für Moritz und Oma Else besonders. Einmalig und unverlierbar. Das ist es nicht. Aber Liebe macht es dazu. Was man liebt, will man nie loslassen. Als Oma Else das Haus verkauft, zerreißt es ihr das Herz. Und lieber will ich nicht wissen, was ist, wenn Moritz mal seinen Teddy verliert. Seine Welt ginge unter. Weil alles einmalig ist, was geliebt wird. Unverlierbar in Ewigkeit. Noch Jahrzehnte denkt Oma Else an ihr Haus. Behält es fest im Herzen. Im hohen Alter noch wird Moritz seinen Teddy kennen und heiter oder wehmütig an ihn denken. Nichts geht verloren, was einmal geliebt wurde.
So mächtig ist Menschenliebe. Wie erst Gottes Liebe. Sein Herz verliert keinen. Mich nicht und Sie nicht.
