Wann kommt das zu uns?
Heute frage ich mich: Wann kommt das hier wohl zu uns? In China gibt es ein Gesetz, das nur schrecklich ist. Es ordnet an, dass Kinder sich um ihre Eltern kümmern müssen. Dort vernachlässigen immer mehr Erwachsene ihre alten Eltern. Also ein Gesetz: Kinder müssen sich um ihre Eltern kümmern. Noch genauer: Menschen über 60 müssen „oft“ von den Verwandten besucht werden, mindestens alle zwei Monate. Zwei Ferien im Jahr müssen Kinder zu ihren alten Eltern und dort nach dem rechten sehen. Was für ein Gesetz. Wann kommt das wohl zu uns?
Ich hoffe nie. Kümmern ist selbstverständlich, oder? Wenn nicht, hilft kein Zwang. Ich kenne Ältere, die traurig sind, wenn ihre Kinder fast nie zu Besuch kommen. Ich sehe, wie sie warten. Sie sehen nicht, was sie vielleicht dazu beitragen, dass die Kinder nicht kommen. Ich kenne auch Kinder, die einen Besuch bei ihren Eltern vermeiden, wann immer es geht. Oft gab es Streit um Geld oder Enkel oder ums Erbe, das irgendwann kommt. Dann, so heißt es, „kann man eben nicht miteinander“. Alles verständlich. Aber selbstverständlich wie weniges auf der Welt ist doch: Eltern bleiben Eltern und Kinder bleiben die Kinder. Beide Seiten haben Pflichten. Die kann man nicht kündigen oder zum Gesetz machen. Die müssen, ja, sie müssen im Herzen wohnen. Immer.
Besser kein Gesetz. Lieber die Pflicht anschauen und seufzen: Ja, ich will sie erfüllen. Will Vater und Mutter ehren, so gut es geht. Und will mir später keine Vorwürfe machen wie: Hätte ich doch. Lieber eine Herzenspflicht als ein Gesetz. Es kann ja sein, dass die Pflicht mir zum Glück wird. Und Eltern oder Kinder einsehen, dass die ewig gleichen Vorwürfe keine Seite weiterbringt.
Die übervoll geschriebene Tafel der Vergangenheiten einfach mal auswischen. Oder sich wegdenken. Um wieder zu wissen: Ich brauche meine Kinder; meine Eltern. Das sagt mein Gewissen. Könnte sein, dass dann etwas Glück kommt. Hoffen kann man’s doch.