Bethlehem ist kein Idyll – damals nicht und heute nicht
In diesen Tagen kommt Bethlehem wieder in den Blick. Auf Weihnachtskarten und Krippenbildern, in Chorälen und Oratorien. Bethlehem als Ort der Geburt Jesu: Ein baufälliger Stall, Ochs und Esel. Im Hintergrund hügelige Landschaften. Ein vertrautes Bild. Maria und Josef – das Kind in der Mitte.
Vor wenigen Wochen war ich in Bethlehem. Im Bethlehem des Jahres 2014. Es liegt im Schatten einer über fünf Meter hohen Betonmauer. Sie trennt das palästinensische Gebiet, wo Bethlehem liegt, von Israel. Diese Mauer soll verhindern, dass Terroristen ungehindert nach Israel eindringen. Nur über besondere Kontrollposten ist die Einreise nach Israel möglich. Diese Mauer bestimmt in Bethlehem den Alltag. Sie erschwert Begegnungen zwischen palästinensischen Nachbarn und Familien, reibungslose Tagesabläufe, die Möglichkeit, die eigene Familie zu ernähren. Sie macht Menschen hilflos und wütend. Viele Jüngere gehen aus Bethlehem weg. Bethlehem 2014, das ist keine Weihnachtsidylle. Bethlehem 2014 ist eine knallharte Realität.
In der Zeit der Geburt Jesu wird dies nicht anders gewesen sein. Damals war Palästina durch die Römer besetzt. Im Besatzungsalltag waren Plünderungen und Demütigung an der Tagesordnung. Also auch damals keine friedliche Zeit. In dieser Zeit hören Menschen die Worte des Propheten Micha neu: „Und du, Bethlehem, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei. Und sie werden sicher wohnen; denn er wird zur selben Zeit herrlich werden, so weit die Welt ist. Und er wird der Friede sein.“
Sie beziehen diese Worte auf Jesus, das Kind, das im Krisenalltag Bethlehem zur Welt kommt. Die Hoffnung wird da geboren, wo die Angst lebt.
Die Evangelien sprechen von Jesus als einem Friedensbringer. Ein Mensch, der Wege zum Frieden offen hält. Ein Friedensbringer, der Menschen Lebenskraft und Hoffnung zurückgibt.
Mit ihm verbinden sich konkrete Hoffnungen: Unter seiner Herrschaft kommen Menschen zu ihrem Recht, wird Gerechtigkeit sich durchsetzen. Sie werden nicht mehr von einem Ort zum anderen fliehen, ohnmächtig und hilflos, Gewalt und Unrecht ausgesetzt. Eine Heimat werden sie haben, in der sie sicher leben und behütet und selber einmal behütet sterben können. So also sieht Leben aus, wie es Gott für Menschen will. Nicht nur in Bethlehem, sondern in den vielen Krisengebieten unserer Zeit.
„Und er wird der Friede sein“ Diese Friedensbotschaft wird in eine Welt hineingerufen, die die Angst kennt und Hoffnung braucht. Sie braucht Menschen, die sie aufnehmen und Wirklichkeit werden lassen.