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Das Lichtlein und das große Licht – für die, die im Dunkeln wohnen
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Das Lichtlein und das große Licht – für die, die im Dunkeln wohnen

Dr. Ursula Schoen
Ein Beitrag von Dr. Ursula Schoen, Prodekanin, Evangelisches Stadtdekanat Frankfurt

„Immer, wenn du glaubst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her.“ Ein Spruch, den viele von ihren Großeltern kennen. Ich habe ihn in meiner früheren Gemeinde in vielen Wohnungen gelesen. Er hing dort oft an der Wand in der Küche oder im Wohnzimmer. Er hat mich beschäftigt, weil er so bescheiden klingt. Ein Lichtlein – mehr nicht? Dieser Vers hat aber das Lebensgefühl vieler Menschen in diesem Stadtteil ausgedrückt. Als Flüchtlinge als Schlesien waren die meisten Anfang der fünfziger Jahre hier eingezogen. Sie brachten wenig mit, um sich in winzigen, aber immerhin warmen und trockenen Wohnungen einzurichten. Eine siebzigjährige Frau hat erzählt: „Die Nachbarn starrten aus den Fenstern, als wir einzogen und nur einen Tisch und zwei Stühle vom Wagen nahmen. Als Nachbarn wollte diese armen Flüchtlinge keiner haben. Meine Mutter war oft völlig verzweifelt.“

Ich kann mir diese Mutter gut vorstellen: Hauptsache genau zu essen für die Kinder, Hauptsache warme Kleidung, Hauptsache Heizmaterial – das waren ihre täglichen Sorgen. Und dann die Momente, in denen sie todmüde und verzweifelt war.

Mit allem wurde in diesen Familien sparsam umgegangen – auch mit der Hoffnung! Es sind winzige Gesten und Gaben gewesen, die andere weitergaben, die diese Gefühle der Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit für kurze Momente durchbrochen haben: Worte, Kleidung, Essen. Eben die Zeichen, die Menschen brauchen, damit die Zuversicht in das Leben wieder wachsen kann. Nicht die Suppe oder der Mantel allein zählten, sondern auch die Geste: Jemand sieht mich! Ein Lichtlein, wie es der Spruch nannte.

Im Buch des Propheten Jesaja heißt es: „Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht; über denen, die im Land der Finsternis wohnen, scheint es hell! Du weckst lauten Jubel, Du machst groß die Freude.“

Die Worte des Jesaja sind wie ein Paukenschlag. Sie reißen den Himmel auf. Sie sprechen zu Menschen, die nur noch wenig für sich erhoffen, die müde und erschöpft sind. Die Hoffnung muss nicht mehr aus vielen kleinen Lichtlein mühsam zusammengetragen werden. Sie wird neu begründet von Gott selbst. Er kommt und lässt es hell werden in dunkler Zeit!

Die Worte aus dem Buch des Propheten Jesaja werden in den Weihnachtagen in den Gottesdiensten gelesen. Jedes Jahr berühren sie mich tief. Sie geben den Weihnachtsfest Glanz. Den vielen Zeichen der Verbundenheit, die ich in diesen Tagen als Briefe und Geschenke auf den Weg bringe, geben sie einen tieferen Sinn. Sie sind kleine Lichter, die auf das große Licht hinweisen, das von Gott selbst ausgeht. Ich schicke sie los mit dem Wunsch, dass sie andere spüren lassen: Du bist gesehen.

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