Ihr Suchbegriff
Mit dem Herzen hören - ein exotischer Wunsch des Königs Salomo

Mit dem Herzen hören - ein exotischer Wunsch des Königs Salomo

Dr. Anke Spory
Ein Beitrag von Dr. Anke Spory, Evangelische Pfarrerin, Bad Homburg-Gonzenheim

Im Alten Testament wird die Geschichte von dem König Salomo erzählt. Nach dem Tod seines Vaters David soll er das Königsamt übernehmen. Unsicher steht er vor seiner neuen Aufgabe. Er fragt sich, ob er ihr gewachsen sein wird. Er wird viel Verantwortung haben. Er fragt sich, ob er das schafft, ob er genug Kraft hat, genug Erkenntnis, um ein guter König zu sein. So sucht Salomo den Kontakt zu Gott, er betet. Gott erscheint ihm im Traum. Beinahe wie im Märchen darf Salomo sich aussuchen, was er haben möchte: „Bitte, was ich dir geben soll!“, das sind die Worte Gottes an ihn. Salomo hat vieles nötig. Jetzt heißt es gut überlegen: Reichtum und Ruhm? Nachkommenschaft und langes Leben? Sieg über die Feinde? Salomo atmet tief durch und wünscht sich als die Hauptsache für sein Leben „ein hörendes Herz“.

Ein hörendes Herz. Was ist das? Wer sich in der Bibel auf die Suche nach dem Stichwort „Herz“ macht, findet viel. Und schnell wird deutlich: Im Alten wie im Neuen Testament ist das Herz viel mehr als der Sitz der Gefühle. Es ist sozusagen die Mitte des Menschen. Fast alles, was man geistig und seelisch erlebt, verbindet die Bibel mit dem Herzen. Das Herz steht für das, was ich tue und will, was ich erkenne und wofür ich mich verantwortlich fühle.

Ein hörendes Herz ist warm und lebendig. Es nimmt wahr, es lässt sich berühren. Das geschieht manchmal ganz unerwartet: Ein Satz, der uns nicht mehr aus dem Sinn geht, ein Bild oder ein Musikstück, das Traurigkeit oder Sehnsucht in uns auslöst, die Szene eines Films, die eine verborgene Frage in unserem Leben anrührt. Auf einmal „hört“ unser Herz: es entsteht eine besondere Aufmerksamkeit in uns auf das, was uns begegnet, auf uns selbst, auf Gott. Solches „Hören“ ist etwas anderes als Nachdenken. Wenn ich mit dem Herzen höre, dann nehme ich wahr, dann öffne ich mich, dann verweile ich bei dem, was mich erreicht und was sich in mir regt.

Salomo wünscht sich ein hörendes Herz. Für einen Politiker und Herrscher wie Salomo ist das doch ein exotischer Wunsch! Aber: Noch Generationen später wurde Salomo als ein weiser und kluger König gepriesen.

Ich frage mich, was ich mir gewünscht hätte, wenn mich Gott fragen würde: „Bitte, was ich dir geben soll!“ Ob ich so eine Antwort wie Salomo gegeben hätte?

Ich hoffe ja. Ein hörendes Herz hört ja erst einmal zu. Ich will anderen Menschen zuhören. Ich will sie nicht vorschnell unterbrechen oder ihnen meine Antworten geben, die gar nicht ihre sind. Als Mutter wünsche ich mir, meine Kinder zu überzeugen, von dem was ich für richtig halte, und es nicht einfach anzuordnen. Und für meine Kinder wünsche ich mir Lehrerinnen und Erzieher, die erkennen, wieso sich ein Kind so und nicht anders verhält.

Die Bitte um ein hörendes Herz. Es klingt nach einem frommen Wunsch. Aber fromme Wünsche müssen nicht die schlechtesten sein. Für mich nicht und für die Mitmenschen auch nicht. Mit dem Herzen hören. Es gibt wohl nichts, was man sich mehr wünschen könnten. König Salomo muss wirklich klug gewesen sein.

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren