Deutsch lernen mit der Bibel

Deutsch lernen mit der Bibel

Ein Beitrag von Frank Fornacon, Pastor evangelische Freikirche

Mit größtem Vergnügen lese ich die Bibel – gemeinsam mit einigen chinesischen Studierenden der Uni Kassel. Mal sind es eine Hand voll, mal ein Dutzend, die dienstags gegen sechs in unsere Kirche kommen. Wir lesen Kerntexte der Bibel und üben das Deutsche.

Die jungen Leute haben in der Regel bereits in China einen Bachelorgrad erworben in Elektrotechnik oder Stadtplanung. Sie haben zu Hause tüchtig Deutsch gepaukt. Das betriebswirtschaftliche ABC beherrschen sie. Sie wissen, wie man auf Deutsch Bruttosozialprodukt und elektromagnetische Wellen ausspricht. Aber mit vielen anderen Wörtern tun sie sich schwer. Fahrkartenautomat oder Restmülltonne hat ihnen keiner beigebracht. Und auch Begriffe wie Güte, Barmherzigkeit oder Opfer kommen im technischen Deutsch kaum vor, das sie fürs Studium benötigen.

Viele Studierende aus China haben sich aus mehreren Gründen für Deutschland entschieden: Die Studiengebühren sind niedrig, und deutsche Ingenieurskunst steht in Asien hoch im Kurs. Nebenbei ist Deutschland ein kulturell hochinteressantes Land. Selbst im kommunistischen China werden Dichter und Denker geschätzt, die bei uns langsam in Vergessenheit geraten. Diese Kultur kann man aber nicht verstehen, wenn man nicht den christlichen Hintergrund kennt. Die Baugeschichte einer Stadt ist durch ihre Kirchen geprägt. Die heutige Musik hat religiöse Wurzeln. Selbst die Sprache ist nur zu verstehen, wenn man ihre biblischen Bezüge kennt. Oder versteht man sonst, was ein „barmherziger Samariter“ ist? Und was es bedeutet, wenn jemand sagt: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein!“

Allein in Kassel studieren fast dreihundert Chinesen. Sie stellen damit nach den Türken die zweitgrößte Gruppe ausländischer Studenten. Dreißig oder vierzig trifft man nicht nur im Hörsaal oder der Bibliothek, sondern auch im chinesischen Bibelkreis. Für viele ist es die erste Begegnung mit jungen Christen und mit dem christlichen Glauben. In China ist das Christentum zwar eine rasch wachsende Religion, aber in weiten Teilen des Landes kennt man als Schüler keinen einzigen Gläubigen. In Deutschland lernt man – wenn man will - auch beten und die Bibel lesen, auf Chinesisch.

Was in Kassel darüber hinaus möglich ist: Die Verbindung von Deutschtraining und der intensiven Lektüre der Bibel. Der Kurs „Deutsch üben und Bibel lesen“ hat nicht nur chinesische Fans. Immer wieder machen Gemeindemitglieder mit. Eine pensionierte Pädagogin meint: „Ich habe selten so viele interessante Fragen diskutiert, wie mit unseren Chinesen“. Und der Mitarbeiter eines internationalen Konzerns, der regelmäßig mit dabei ist, freut sich: „Jetzt verstehe ich selbst viel besser, was es heißt, an einen gnädigen Gott zu glauben.“ Im Dialog zwischen chinesischen Studierenden und ihren Deutschlehrern entdecken beide ganz neue Seiten am christlichen Glauben.

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