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Der große Schrecken
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Der große Schrecken

Michael Tönges-Braungart
Ein Beitrag von Michael Tönges-Braungart, Pfarrer

Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – das waren die drei Leitbegriffe der französischen Revolution. Diese Gedanken prägen nicht nur die Geschichte Europas bis heute. Sie zu verwirklichen, bleibt weiterhin ein erstrebenswertes Ideal. Wenn es aber darum geht, Ideale zu verwirklichen, stellt sich immer auch die Frage, wie das geschehen kann. Vor allem:  ohne dass die Ideale dabei selber Schaden nehmen.

Denn schnell vergreifen sich Menschen in der Wahl der Mittel. So erließ am 10. Juni 1794 unter dem französischen Revolutionsführer (de) Robespierre der Wohlfahrtsausschuss ein verschärftes Terrorgesetz. Vor dem Revolutionstribunal gab es danach keine Voruntersuchungen und keine Verteidigung der Angeklagten mehr. Nur Freispruch oder Todesurteil waren zugelassen. Wer die Volksvertretung beleidigte oder sich weigerte, aktiv an der Revolution teilzunehmen, wurde mit dem Tode bestraft.

"La Grande Terreur" - "Der große Schrecken" begann. Vom 10. Juni bis zum 27. August 1794 wurden fast 1400 Menschen hingerichtet. Am Ende ereilte auch (de) Robespierre selber dieses Schicksal – weil seine Schreckensherrschaft unerträglich geworden war Wenn Menschen ganz genau zu wissen meinen, was das Gute und das Richtige ist – nicht nur für sich selber, sondern für alle Menschen und für die ganze Welt. 

Wenn Menschen ganz und gar von ihrer Sache überzeugt sind – dann kann in ihnen der Gedanke aufkommen, dass man die anderen zu ihrem Glück zwingen müsse; dass man denen, die in ihrer Erkenntnis noch nicht so weit fortgeschritten seien, mit Nachdruck dazu verhelfen müsse; wenn nötig, sogar mit Gewalt. Alles im Dienst der guten Sache. Die Geschichte ist voll von Beispielen dafür. Auch die Geschichte der Christenheit. Denken wir an die Inquisition oder an das Verhalten von fundamentalistischen Gruppen in den USA, die gewaltsam gegen Ärzte vorgehen, die Abtreibungen vornehmen.

Wo eine solche Haltung aus einer christlichen Überzeugung heraus entsteht, da ist sie letzten Endes ein Ausdruck von mangelndem Gottvertrauen. Im Grunde steckt dahinter der Gedanke: Wenn Gott schon nicht die Menschen und die Welt in Ordnung bringt, dann müssen wir es eben selber tun. Immer wieder wird in der Bibel davor gewarnt, dass  Menschen sich  so an Gottes Stelle setzen und das versuchen, was Gott selber nicht tut, nämlich: Menschen zu ihrem Glück zu zwingen. Denn wo das versucht wird, führt das meistens zu Totalitarismus und Gewalt.

„Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der HERR Zebaoth.“ Dieses Wort des Propheten Sacharja aus dem Alten Testament erinnert uns an unsere Grenzen. Und es erinnert daran, dass wir den Himmel auf Erden nicht mit Gewalt schaffen können. Aber wer sich um Freiheit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit für alle Menschen bemüht, kann auf Gottes Geist hoffen.

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