
Lieber nur eins, und das richtig
Heute ist alles möglich. Scheinbar auch im Glauben. Da sitzt eine junge Mutter strahlend auf dem Sofa. Da erzählt sie in die Fernsehkamera, wie sie vor einem halben Jahr ihren Sohn zur Welt gebracht hat. Sie selbst ist Jüdin und hat in einem evangelischen Krankenhaus in ihrer Nähe entbunden. Der Arzt habe auf ihre Bitte hin - noch vor der Geburt - ein Segensgebet für den ungeborenen Jungen gesprochen. Ihr Ehemann und Vater des Kindes, sagt die Mutter, sei streng katholisch, habe aber darauf bestanden, dass der Junge gleich nach der Geburt beschnitten wird. Schließlich habe die Oma, die Mutter des Vaters, auch streng katholisch, den Jungen bald nach der Beschneidung getauft. Oder so etwas Ähnliches, sagt die Mutter im Fernsehen und strahlt wie siegesgewiss.
Ja, was denn nun, frage ich mich als Zuhörer, welcher Glaube denn nun genau? Evangelisch, jüdisch oder katholisch? Die junge Mutter und ihre Familie fragen sich das nicht. Sie denken anders: Alles für mein Kind, denken sie. Und von allem das Beste: Taufe, Beschneidung, Segensgebete. Man kann ja nie wissen. Wenn das Beste aus allen Religionen möglich ist, dann wollen wir das auch haben. Ich verstehe den Wunsch, finde ihn aber trotzdem seltsam. Früher gehörte man zu etwas. Heute gehört man sicherheitshalber zu allem. Man kann ja nie wissen. Das stimmt. Wird aber das Leben wirklich besser, wenn man überall Zuhause ist – und überall vielleicht nur ein bisschen? Das kann nicht gut gehen, fürchte ich. Wer in jedem Glauben ein wenig Zuhause sein will, ist in keinem wirklich daheim. Dieses „Man kann ja nie wissen“ ist kein Zeichen von Größe oder Weltgewandtheit. Mir zeigt es, wie unentschlossen Menschen sein können. Ein bisschen Buddha, ein wenig Islam, vielleicht eine Beschneidung und zur Krönung auch noch die Taufe – überall kann man nicht daheim sein. Das ist, als hätte man in jeder Großstadt eine Wohnung. Und lebt mal hier, mal da und dann auch dort. Wo aber ist man daheim?
Das ist noch wie früher: Daheim ist man, wo man hingehören will. Also ein Akt der Entscheidung, des Bekennens. Wer vier Wohnungen hat, kümmert sich um keine richtig, kennt kaum seine Nachbarn und verzichtet oft auf schöne Bräuche. Wenn es mal ernst wird und der Nachbar ist krank und braucht mich – zieht man dann weg, dahin, wo das Leben leichter scheint? Und hat eben keine Zeit mehr fürs Schwere? Nein. Viele Religionen in einem Leben – das geht nicht. Jeder Glaube braucht das Bekenntnis: Hier gehöre ich hin, lebe mit den andern. Hier suche ich den besten Weg im Leben und streite auch mit und über Gott. Der Glaube braucht feste Erde, in der er wachsen und reifen kann. Lieber nur eins, und das richtig. So wird man zum „Baum, gepflanzt an Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit.“ (Altes Testament, Psalm 1, Vers 3)