I did it my way

I did it my way

Charlotte von Winterfeld
Ein Beitrag von Charlotte von Winterfeld, Evangelische Pfarrerin, Frankfurt

Meine kleine Spieluhr ist wieder aufgetaucht! Ich habe sie auf dem Speicher in der Kiste mit den Weihnachtssachen gefunden, zwischen kleinen Engeln und Christbaumkugeln. Wenn man den winzigen Hebel dreht, spielt sie etwas holprig „I did it my way“, „Ich bin meinen Weg gegangen“ von Frank Sinatra. Ich habe lange nicht an sie gedacht, aber jetzt halte ich sie in den Händen und freue mich.

Denn diese Spieluhr hat ihre Geschichte. Thomas und Kathrin haben sie mir geschenkt, als es mir wirklich dreckig ging. Es war mitten in der Examenszeit. Mein Freund hatte mich aus heiterem Himmel verlassen. Die Nerven lagen blank, ich konnte nachts nicht schlafen. Noch drei Wochen bis zu den Prüfungen. Alle anderen haben fleißig gelernt, ich konnte mich nicht konzentrieren. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich die Prüfungen bestehen würde. Ich konnte mir auch nicht vorstellen, jemals wieder glücklich zu sein. In der Zeit haben mit Thomas und Kathrin ein Überlebens-Päckchen geschenkt: Tee und leckere Schokolade waren drin, und diese Spieluhr. Ich kannte, ehrlich gesagt, den berühmten Song von Frank Sinatra nicht. Thomas hat mir erklärt, das Lied würde gut zu mir passen. Und tatsächlich, seit ich weiß, um was es da geht, mag ich es sehr.

Frank Sinatra hat das Lied 1968 kurze Zeit vor seinem Abschied von Bühne und Show-Business gesungen und aufgenommen. Es ist der Rückblick auf sein Leben, auf Höhen und Tiefen. Frank Sinatra hatte es damals nicht leicht. Er fand irgendwann keine Plattenfirma mehr, die ihn wollte. Mehrere Ehen scheiterten, er hatte zahlreiche Affären. Und dann blieb ihm auch noch die Stimme weg: eine Blutung an den Stimmbändern. Seine Karriere schien zu Ende. Aber er hat sich nochmal berappelt.

In dem Song erzählt er von den Straßen des Lebens, von Zeiten, wo er ein Verlierer war, von Tränen und Zweifeln. Und am Ende jeder Strophe singt er den Refrain: I did it my way – ich bin meinen Weg gegangen, ich lebte auf meine Art und Weise. Er singt auch: „Was ist ein Mann, was hat er erreicht? Wenn er nicht er selbst ist, ist er ein Niemand.“

Irgendwie hat mich der Song getröstet und frei gemacht von dem Druck, den ich gespürt habe. Mir wurde klar: Ich brauche mich nicht mit anderen zu vergleichen, denen es vermeintlich besser geht. Wenn ich jetzt die Prüfungen nicht schaffe, dann eben später. Oder ich mach was ganz anderes. Auch in der Krise muss ich meinen eigenen Weg finden. Keiner lebt so, wie ich lebe. Und so wie ich mit meiner Krise umgehe, ist es gut. Und wer mir gerade jetzt zur Seite steht so wie Thomas und Kathrin, der ist ein Geschenk Gottes. Die beiden finden mich gut, wenn ich ich selbst bin. Ich halte die Spieluhr wieder in den Händen und weiß: Das hilft mir nicht nur in einer großen Krise. Es tut immer wieder gut, mich daran zu erinnern.

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