Das Pendel der alten Wanduhr – zum Jahreswechsel 2014/2015

Das Pendel der alten Wanduhr – zum Jahreswechsel 2014/2015

Christoph Wildfang
Ein Beitrag von Christoph Wildfang, Evangelischer Pfarrer, Arnoldshain

Ich mag alte Uhren. Ich habe zwei Stück. Manchmal schlagen sie zur Stunde. Manchmal auch nicht. Die eine Uhr im Flur, die macht, was sie will. Ist es voll, schlägt sie halb. Und wenn sie schlägt, auch noch die falsche Stunde. Einer sagt mir, schmeiß sie weg. Das war Massenware. Konnte man auf der Kerb gewinnen. Kannst du nicht mal versteigern. Ich zieh sie auf und sie schlägt falsch.

Die andere Uhr hängt im Wohnzimmer und tickt meistens richtig. Im Uhrenkasten sehe ich das Pendel. Hin und her. Es ist nicht hübsch, sogar ein bisschen verbeult. Aber es erfüllt seinen Zweck und treibt die Uhr an. Wenn ich das Aufziehen nicht vergesse. Das muss auch noch gefühlvoll sein, bloß nicht zu stramm. Eine sagt mir, das ist doch nervig. Dieses Ticken. Dieses Pendel. Das macht mich nervös. Und sie sagt: Ich spüre und höre dann noch mehr, wie diese Zeit vergeht. Wie meine Lebenszeit vergeht, vertickt, verläuft. Dieses gleichförmige Bewegen des Pendels. Das sieht doch aus wie ein Fallbeil. Als ob meine Zeit genau gezählt wird, das, was war. Was schon weg ist. Vorbei ist. Ich kann das nicht ansehen und das Ticken ist lästig. Mach doch Musik an. Oder stell das Ding ab. Ich halte dann das Pendel an und es ist still im Raum. „Gut!“, sagt sie. „So ist es viel besser!“

Ich selbst meine: Auch, wenn ich die Pendeluhr mal anhalten kann – die vergehende Zeit kann ich in meinem Leben nicht anhalten. Gerade beim Jahreswechsel heute denke ich daran. Was ist schon vorbei? Und wie ist es vergangen? Was mag kommen? Wird es schlechter, noch schlechter? Wieviel Zeit habe ich wohl noch? Ich schaue auf mein stillgelegtes Pendel. Ich kann meine Lebenszeit nicht abbremsen, verlangsamen. Oder gar rückwärts drehen. So, wie meine Zeit eben ist, ist sie von Gott gehalten. In Gott geborgen. „Meine Zeit in deinen Händen*“, Gott. So wie sie voran fließt, die Zeit, die gestern war, heute ist und auch morgen. Ich gebe dem Pendel meiner alten Wanduhr einen Schubs. Und sie tickt munter weiter.

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