Wagenradadventskranz

Wagenradadventskranz

Dr. Peter Kristen
Ein Beitrag von Dr. Peter Kristen, Evangelischer Pfarrer und Studienleiter, Religionspädagogisches Institut Darmstadt

Ob ich jemanden wüsste, der ihr ein altes Wagenrad leihen könnte, fragt mich meine Kollegin vor ein paar Tagen, „nur für die Adventszeit“. „Klar“, sag ich, „mein Vater hat ein altes Wagenrad wieder hergerichtet und das steht jetzt auf der Terrasse. Im Winter räumt er es meistens in den Keller. Der würde es Dir sicher leihen, nur wozu“? „Es soll ein Adventskranz werden“, sagt sie und erzählt:

Der allererste Adventskranz war ein Wagenrad. Vor 175 Jahren hat ihn Johann Hinrich Wichern aus der Not heraus erfunden. Die Industrialisierung hat auch in seiner Heimatstadt Hamburg sehr viele Verlierer produziert, Kinder vor allem, um die sich niemand kümmern wollte, die Regierenden nicht und auch nicht die Kirchengemeinden. Das wollte er nicht einfach so hinnehmen.

Ein Freundeskreis ist entstanden und seine Mitglieder kauften ein altes Bauernhaus. Aus dem hat Wichern dann ein Rettungshaus für Mädchen und Jungen aus den schwierigsten Verhältnissen gemacht. Diese Kinder hatten jetzt das Nötigste, ein Dach über dem Kopf, regelmäßig zu essen und Menschen die ihnen verlässlich mit Liebe begegnen.

Genau wie alle anderen haben sie sich natürlich sehr auf Weihnachten gefreut und Wichern mit der Frage genervt, wann es denn endlich soweit ist. Da hat er dann das Wagenrad aufgestellt mit vier dicken Kerzen für die Adventssonntage, dazwischen je sechs für die Wochentage. Jeden Tag wurde eine mehr angezündet und so konnten die Kinder selbst sehen, wie lange es noch bis Weihnachten ist.

Meine Kollegin freut sich, dass sie das Wagenrad meines Vaters geliehen bekommt. Mit ihrer Klasse hat sie ihre Idee verwirklicht. Wenn die Schülerinnen und Schüler heute in die Schule kommen, steht da im Foyer der Wagenradadventskranz mit den vier dicken Kerzen und zwanzig kleineren. Eine dicke brennt schon.

Die erste kleine darf heute eine Schülerin anzünden. Wer kann und möchte, soll dazu auch etwas in eine Spendendose stecken. Das Geld geben sie dann an Kinder weiter, die es heute schwer haben. Ich denke, das wäre Wichern recht.

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