Smart beichten

Smart beichten

Martin Vorländer
Ein Beitrag von Martin Vorländer, Evangelischer Pfarrer und Senderbeauftragter für den DLF, Frankfurt

„Wir alle haben jeden Tag Gedanken und Gefühle, für die es keinen Ort gibt“, sagt Chrys Bader, Unternehmensgründer in den USA. Für diese Lücke hat er eine neue Anwendungsfunktion für Smartphones und Tablets auf den Markt gebracht: die App „Secret“, also Geheimnis.

Darüber soll man sich alles von der Seele schreiben können, was man sich sonst nicht zu sagen traut. Das geht angeblich anonym. Das, was ich beichten will, poste ich über die App. Alle aus dem Adressbuch meines Handys und meine Facebook-Freunde können die Beichte lesen und ihre Kommentare dazu abgeben, ohne zu wissen, wer hier seine Sünden gestanden hat.

Sie bekommen jedoch mitgeteilt, ob das dunkle Geheimnis von einem »Freund« oder „Freund eines Freundes“ stammt. Mit dem Beichtgeheimnis ist es also nicht so weit her. Da offenbart einer: „Manchmal trage ich Sportklamotten in der Öffentlichkeit, um den Anschein zu erwecken, dass ich trainiere.“ Eine andere hat ihrem untreuen Ex-Freund 300 Kakerlaken in die Wohnung gesetzt.

Manche schreiben nicht nur über sich. Sie verbreiten weiter, was sie an Schlechtem über andere gehört haben oder frei erfinden. „Hast du schon gehört? Der Betrieb A ist pleite. Frau XY betrügt ihren Mann.“ Das hat nichts mit Beichte zu tun. Das ist Rufmord.

Die App mit dem Titel „Secret“ scheint mir nicht der richtige Ort zu sein, um Geheimnisse zu teilen. Datenschutz? Beichtgeheimnis? Eher zweifelhaft. Vielleicht doch eher: gut überlegen, was ich wo poste oder mitteile. Bei aller Vernetzung braucht jeder Mensch auch Privatheit. Wohin mit den Gedanken und Gefühlen, die ich mich kaum traue auszusprechen, aber doch mal loswerden will? Ich suche mir dafür eine Freundin oder einen Freund, dem ich absolut vertrauen kann.

Es gibt auch Dinge, die möchte ich nur jemandem sagen, der nicht zu meinem Freundeskreis gehört. Einem Außenstehenden, der zuhören kann. Dafür gibt es zum Beispiel Seelsorger. Ich bin froh über das Beichtgeheimnis. Für die Gedanken und Gefühle, die einen Ort brauchen. Einen sicheren Ort.

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