Wie ein Friedhof das Leben neu machen kann
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Wie ein Friedhof das Leben neu machen kann

Dr. Peter Kristen
Ein Beitrag von Dr. Peter Kristen, Evangelischer Pfarrer und Studienleiter, Religionspädagogisches Institut Darmstadt

Auch in einem kleinen Dorf kann man einfach so nebeneinander her leben. So war das auch mit Else und Ottilie, die alle nur Tilli nennen. Sie kannten sich natürlich, grüßten sich auf der Straße, mehr nicht. Da waren einige Jahre Altersabstand zwischen ihnen und schließlich geht es ja nicht jeden etwas an, wie es in mir aussieht.

Dann war Elses Mann gestorben. Auf dem Dorffriedhof ist er beerdigt worden. In der Ansprache hatte die Pfarrerin über einen Vers des Propheten Jesaja gesprochen. Gott spricht: „Ich schaffe jetzt etwas Neues.“ Sie hat davon erzählt, wie Jesaja dem Volk Israel vor dreitausend Jahren Mut gemacht und Hilfe versprochen hat. Als alles zu Ende schien, hat Gott durch Jesaja angekündigt: „Ich schaffe jetzt etwas Neues. Es kündigt sich schon an, merkt ihr das nicht?“ (Jes 43,19)

Else hat natürlich auch bald den Wunsch verspürt, dass nach dem Tod ihres Mannes einmal etwas Neues kommen würde, dass es für sie trotz allem eine gute Zukunft gibt, aber dass sich das schon ankündigt … nein, das konnte sie nur hoffen.

Ganz überraschend ist dann wenig später auch Tillis Mann gestorben. Sein Grab war direkt neben dem, im dem Elses Mann bestattet worden war. So haben sich Else und Tilli nun öfters auf dem Dorffriedhof getroffen. Eine besondere Art Nachbarinnen sind sie geworden. Anfangs richteten sie die Blumen, manchmal weinten sie, erst ganz verschämt, dann auch mal gemeinsam. Sie sprachen über dies und das:Den Grabstein, das Alleinsein…Dabei haben sie auch Gemeinsamkeiten entdeckt, Beide hatten damals Ärger mit ihren erwachsenen Kindern. Dass es der anderen auch so geht, das hat ihnen beiden gutgetan.

Dann haben sie angefangen, sich sonntags abwechselnd zum Kaffeetrinken zu besuchen. Einmal bei Else, dann wieder bei Tilli. Seit Jahren ist das für sie jetzt eine feste Tradition. Als Else einmal ins Krankenhaus musste und Hilfe brauchte, hat Tilli sie dort jeden Tag besucht. Sie ist ihre beste Freundin geworden. Heute sagen sie: für uns ist damals wirklich etwas Neues entstanden. Es hatte sich schon angekündigt, aber wir haben es erst im Nachhinein bemerkt. Und ich merk mir das von den beiden: Das Leben kann neu werden, auch da, wo es niemand vermutet.

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