Studentenfutter
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Studentenfutter

Dr. Peter Kristen
Ein Beitrag von Dr. Peter Kristen, Evangelischer Pfarrer und Studienleiter, Religionspädagogisches Institut Darmstadt

„Zum Frühstück esse ich oft nur eine Hand voll Studentenfutter, besonders wenn’s ganz schnell gehen muss. Da ist alles drin, was ich brauche, und Zeit spart es auch.“ Anna hat das gesagt, meine Kollegin. Manchmal wirft sich Anna mit Schwung diese Mischung aus verschiedenen Nüssen, Mandeln und Rosinen in den Mund, während sie ihre Schultasche schnappt und die Treppe hinunterrennt.

Inzwischen nimmt sie sich mehr Zeit. Wir haben nämlich auf einer Fortbildung eine Achtsamkeitsübung erlebt. Achtsam sein, das heißt aufmerksam sein, wirklich präsent sein im gegenwärtigen Augenblick, etwas mit allen Sinnen wahrnehmen, ganz ohne etwas zu wollen.

Die christlichen Pioniere der Achtsamkeit waren Mönche und Nonnen. Johannes vom Kreuz zum Beispiel spricht von liebender Achtsamkeit. Er meint damit ein ruhiges, absichtsloses Verweilen in Gottes Gegenwart. Bei der Übung mit den Kollegen saßen wir nebeneinander, die Augen geschlossen. Jeder hatte die Hände offen ineinandergelegt, bereit, von einer Trainerin etwas entgegenzunehmen. Dann haben wir etwas Leichtes, aber Kompaktes in die Hand bekommen. Aus der hohlen Hand haben wir es mit Daumen und Zeigefinger angefasst: Leicht feucht, irgendwie runzelig und flexibel.

Wir haben es ans Ohr gehalten. Das feucht-raue Etwas gab ein nie gehörtes, weiches Knirschen von sich, als wir es zwischen den Fingern bewegten. Dann durften wir daran riechen: leicht süßlich, könnte eine Rosine sein, eine einzelne Rosine. Ein wenig lief mir schon das Wasser im Munde zusammen. Jetzt berührten wir damit unsere Lippen und schließlich legten wir es unter die Zunge.

Halt, nicht draufbeißen. Erst spüren, erleben. Dann bewusst draufbeißen, nur einmal - und schmecken. Vorsicht, nicht gleich runterschlucken, auch wenn der Impuls dazu stark ist. Dann bewusst hinunterschlucken. Welcher Geschmack bleibt auf der Zunge zurück??

Es war, als hätten wir zum allerersten Mal eine Rosine gegessen. Wir haben erlebt: Wir können so im gegenwärtigen Moment präsent sein, dass wir einen unglaublichen Reichtum an Eindrücken erleben. Den hält jede einzelne Rosine bereit, egal ob wir ihr Aufmerksamkeit schenken, oder nicht. Anna sagt, sie denkt öfters an die Achtsamkeitsübung, wenn sie wieder einmal drauf und dran ist, ihr Studentenfutterfrühstück einzunehmen.

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