Ein "N" und ein Kreuz

Ein "N" und ein Kreuz

Christoph Wildfang
Ein Beitrag von Christoph Wildfang, Evangelischer Pfarrer, Arnoldshain

Wenn meine Oma ein Brot backte, dann kam auf den zum Laib geformten Teig ein Brotstempel drauf. Ein „N“. Schmucklos. Für ihren Nachnamen: „Nast“. Und bevor das Brot dann in den Ofen geschoben wurde, zeichnete sie mit einem feinen Messer langsam ein Kreuz aufs Brot. Der ganzen Länge nach. Wir Enkel schauten neugierig zu. Wenn das Brot fertig gebacken war, dann war das N immer noch zu sehen.  Und das große Kreuz hatte der Backvorgang weit aufgespalten.

In meiner Kindheit kannten wir von unserer Oma nur solche Brote: mit N und Kreuz. Wir liebten die Geschichten dazu, die die Oma gern erzählte. Der Brotstempel kam von den alten Zeiten, als das Brot in ihrem Duisburger Stadtteil Laar noch in einem Backhaus gebacken wurde. Gemeinschaftlich wurden die Öfen geteilt. Die Häuser waren einfach, Geld knapp. Energie auch damals schon teuer und zum Verschwenden war nichts da. Und damit man später sein Brot aus dem Gemeinschaftsofen identifizieren konnte, hatte jede Familie einen Backstempel. Nicht  großartig verziert oder raffiniert mit Ornamenten gestaltet, sondern einfach mit einem Buchstaben oder einer Zahl.  Oft war‘s ein flink privat gefertigtes Abfallprodukt aus der benachbarten Stahlhütte, das dann jahrelang genutzt wurde.

Auch später, als die Oma ihren eigenen Ofen nutzte, blieb der Brotstempel dabei. Sorgsam in den zu backenden Teig gedrückt. Dazu kam immer das Zeichen des Kreuzes in den Brotlaib hinein. Beides gehörte für meine Oma dazu. Ab und zu machten wir Kinder die Ofenklappe auf, wenn die Oma grad mal woanders war, und schauten dem Brot beim Werden zu. Wie die Kruste aufbrach  und das Kreuz größer wurde. Wie das N sich gut sichtbar ins Brot hinein buk.

„Unser tägliches Brot gib uns heute!“, sagte die Oma immer, wenn sie das Brot in den Ofen hineinschob und später herausholte. Und noch einmal beim ersten Anschneiden. „Gott sei Dank, dass wir Brot zu essen haben“, stellte sie jedes Mal erleichtert fest. Dann gab´s normalerweise Margarine mit etwas Salz oder Zucker drauf und am Sonntag die „gute Butter“.  Und zuvor das Tischgebet natürlich, wieder die Bitte aus dem Vaterunser: „Unser tägliches Brot gib uns heute! Amen.“

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