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Segen 1

Segen 1

Christoph Wildfang
Ein Beitrag von Christoph Wildfang, Evangelischer Pfarrer, Arnoldshain

In einer kleinen südindischen Kirche darf ich als Gast auf Reisen im Sonntagsgottesdienst die Predigt halten. Lauter freundliche Blicke. Mein Englisch wird engagiert übersetzt. Die Gottesdienstbesucher sitzen auf dem Steinfußboden der Kirche, einige auf Bänken. Es dauert für unsere Verhältnisse ganz schön lange. Nach dem Gottesdienst strömen alle nach draußen in die Sonne. Es gibt Wasser und Tee.  Jemand reicht mir dazu ein Stück Melone. „Segen“, sagt jemand dicht vor mir. „Segnen Sie uns“, und deutet auf seine Frau und seine drei Kinder. „Segen bitte!“, sagt eine ältere Frau und zwei Jugendliche bedeuten mir mit ihren Augen das Gleiche.

Ich stelle die Melone und den Tee auf einen Treppenabsatz. Zu Hause bin ich das nicht gewohnt. Nach dem Gottesdienst noch einen Extra-Segen. Zu Hause in Hessen scheint den Menschen der zugesprochene allgemeine Segen genug zu sein. Ganz selten fragt jemand nach einem persönlichen Segen. Hier in Indien bin ich ein wenig unsicher. Eine Frau neigt mir ihren Kopf zu. Ich lege beide Hände auf ihren Kopf, und spreche auf Englisch ein Segenswort. Auch ein paar gute Worte auf Hindi habe ich auf meiner Reise bislang gelernt. Die sage ich ihr. Im Namen Gottes wünsche ich der Frau Gottes Nähe und Begleitung.

Sie hebt den Kopf nicht, als ob sie noch auf etwas warten würde. Ich zeichne ihr mit dem Daumen ein Kreuz auf die Stirn. Fest, dass sie es richtig spüren kann. Sie lächelt mich an und entschwindet in der Menschenmenge. Von allen Seiten kommen Menschen und wollen Segen. Ich drehe mich nach rechts und links, wieder nach vorne und segne und segne. Ich bin gerührt. Dieser persönliche, fühlbare Segen ist mir anfangs fast unangenehm. Die Nähe, die Haare mit Haaröl und Frauen mit Blumen im Haar.  Segnen ist ein sehr nahes Gefühl.

Ich schließe beim Segnen die Augen, um mit meiner ganzen Seele dabei zu sein. Wähle bewusst und langsam die Segensworte. Habe das Gefühl, dass es dem Menschen, dem ich die Hände auflege, gut tut. Zuversicht gibt. Ich denke an einen biblischen Text: „Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort. Stattdessen sollt ihr segnen. Denn Gott hat euch dazu berufen, seinen Segen zu erben.“ (1. Petrusbrief 3, 9). Als ich eine alte Frau segne, schenkt sie mir den Segen zurück. Legt mir auch die Hand auf und sagt: „Mangal ho“. Auf Hindi: Sei gesegnet. Ich lege als Dank die Handflächen aneinander. Segnen ist Geben und Empfangen. Jeder Mensch kann segnen und ein Segen sein.

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