Es ist eine sportliche Herausforderung, die gegensätzlichen Gefühle auszuhalten, die Sotschi auslöst

Es ist eine sportliche Herausforderung, die gegensätzlichen Gefühle auszuhalten, die Sotschi auslöst

Ein Beitrag von Helwig Wegner-Nord, Evangelischer Pfarrer, Frankfurt

Die ersten acht Tage der Olympischen Winterspiele in Sotschi sind vorüber. Und es ist wohl klar: auf der sportlichen Seite gibt es – zumindest für das deutsche Team – viel Grund zu Freude und Stolz. Aber was ist mit den ganzen Einwänden, die es vorher gegen die von manchen so genannten „Putin-Spiele“ gab? Haben sich mit der bombastischen Eröffnungsfeier gestern vor einer Woche und dem Blick auf den Medaillenspiegel alle kritischen Fragen erledigt? Bei Helwig Wegner-Nord von der Evangelischen Kirche sind die Empfingen ambivalent geblieben.

Auf der einen Seite freue ich mich mit denen, die auf dem Siegertreppchen einen Luftsprung machen – wie Eric Frenzel mit seiner Goldmedaille. Oder Carina Vogt, der überhaupt ersten Olympiasiegerin im Skispringen. Auf der anderen Seite bin ich zornig über die Menschenrechtsverletzungen in Russland. Über die Selbstherrlichkeit seines Präsidenten. Dann finde ich richtig, dass Obama, Merkel, Gauck oder Hollande demonstrativ nicht nach Sotschi gefahren sind.

Am Mittwoch dieser Woche ist bestätigt worden, dass der russische Geologe Witischko für drei Jahre in ein Arbeitslager muss. Jewgeni Witischko gehört seit Jahren zu den Gegnern der Sotschi-Spiele. Er sagt: Es wurde zu viel Natur zerstört und für Straßen und Bahnstrecken eine viertel Million Bäume gefällt. Jetzt wurde das völlig überzogene Strafmaß bestätigt: Weil er einen Zaun beschädigt hat, muss Jewgeni Witischko die nächsten drei Jahre im Arbeitslager verbringen.

Kann ich mich da noch über die sportlichen Erfolge von Sotschi freuen? Was darf man empfinden in Sachen Olympische Spiele in Russland? Zorn und Wut? Oder auch noch Freude? Oder beides zugleich. Vielleicht geht das sogar. Der Apostel Paulus hat mal geschrieben: „Freut euch mit denen, die sich freuen; und weint mit denen, die weinen!“ Ist das naiv? Normalerweise schlage ich mich lieber auf eine Seite. Entweder freue ich mich mit den Sportlern oder ich bin mit den Dissidenten solidarisch. Aber beides?

Freut euch mit denen, die sich freuen; und weint mit denen, die weinen! Das heißt: bleibt nahe dran an den Gefühlen eurer Mitmenschen. Weint und seid mit denen zusammen zornig, deren Grundrechte so mit Füßen getreten werden. Aber denkt auch an die anderen, die das größte Glück ihres Lebens darin sehen, dass sie in Sotschi dabei sein dürfen. Zornig für Menschenrechte zu kämpfen und zugleich fröhlich das Glück des Erfolgs zu feiern, mit den Fröhlichen sich freuen und mit den Weinenden weinen – darin kann man schon fast eine sportliche Herausforderung sehen.

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