Flaggen auf Halbmast: Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus
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Flaggen auf Halbmast: Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus

Kurt Grützner
Ein Beitrag von Kurt Grützner, Evangelischer Pfarrer i. R., Kassel

Die Flaggen auf öffentlichen Gebäuden sind heute auf Halbmast gesetzt. Wenn es nachher hell wird, werden Sie es sehen können. Zeichen für ein trauriges Gedenken: Am 27. Januar 1945 wurde das Konzentrationslager Ausschwitz befreit. Seit 1996 wird dieser Tag als der „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“ begangen. Im Bundestag wird eine Gedenkstunde abgehalten.

Muss das denn noch sein? fragen die einen. Warum erst seit 1996 fragen andere? Ich möchte Ihnen heute erzählen, warum ich dieses Gedenken für notwendig halte. Einmal aus meiner Sicht des Polizeipfarrers und zum anderen aus meiner Sicht als Enkel eines Polizisten in diesen schlimmen Jahren.

Ich habe meinen Opa geliebt. Wenn er vom Dienst kam, brachte er mir immer „schönes Wasser“ mit. So habe ich die Limonade genannt, die damals noch im Laden abgefüllt wurde. Ein herzensguter Mann. Von allen geliebt.

Später habe ich dann, besonders als ich Polizeipfarrer wurde, erfahren, dass es vor allem auch Polizisten waren, die die Greueltaten begangen hatten. Ich kriegte es in meiner Seele nicht zusammen, wie so gütige und liebevolle Menschen wie mein Opa, zu so etwas verführt werden konnten. Ob er beteiligt war, weiß ich nicht.

Es war die Ordnung, mit der die Nazis sie kriegten. Ein Polizist muss ein positives Verhältnis zur Ordnung haben, schließlich soll er für sie sorgen. Und in den Jahren, bevor die Nazis die Macht ergriffen, herrschte Unordnung, weltweit. Börsencrasch, absurde Inflation, Straßenschlachten: Linke gegen Rechte. Dazwischen, wie immer, die Polizei.

Und dann kam einer, der sagte: „Schuld an dieser Misere sind nur die Juden, weltweit. Hier müssen wir Ordnung schaffen“. Das überzeugte viele, nicht nur Polizisten. Und sie sorgten für Ordnung. An die schrecklichen Folgen denken wir heute.

Wir müssen daran denken. Nur so sind wir in unserem Lande gegen solchen Missbrauch unserer guten Tugenden gefeit. Ordnung ist immer die Ordnung des Rechts. Die Würde des Menschen bestimmt all unsere Rechtsnormen. Nach christlichem Verständnis hat der Mensch diese Würde von Gott: „Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn.“ (1. Mose 1, 27) Deshalb müssen wir die Würde jedes Menschen schützen, wo sie bedroht ist.

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