Glücksmomente zählen
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Glücksmomente zählen

Martin Vorländer
Ein Beitrag von Martin Vorländer, Evangelischer Pfarrer und Senderbeauftragter für den DLF, Frankfurt

Das Geschenk ist liebevoll verpackt mit großer Schleife. Auf dem Geschenkpapier sind zwei kleine rote Glassteine befestigt. „Die Steine haben eine besondere Bedeutung“, sagt die Schenkerin. „Ach ja, was für eine Bedeutung?“, fragt die Beschenkte, eine Frau in ihren 80ern. „Die zwei Glassteine sollst du in deine linke Manteltasche stecken“, bekommt sie erklärt.

„Wenn dir am Tag irgendetwas Schönes passiert, dann nimmst du einen Stein aus der linken Manteltasche und tust ihn in die rechte. Ich verspreche dir: Am Abend, wenn du in die Manteltasche greifst, wirst du dich anhand der Steine an die schönen Momente deines Tages erinnern.“

„Und Sie hatte Recht“, sagt die Beschenkte. „Noch am selben Tag habe ich es ausprobiert: Der Zug fuhr ein. Vor den Türen standen Trauben von Menschen und alle wollten einen Sitzplatz. Hätte ich doch bloß reserviert, dachte ich. Das wird wieder heiter, mit meinem Gepäck im überfüllten Zug zurecht zu kommen, geschweige denn einen Sitzplatz zu kriegen.

‚Kommen Sie, wir suchen gemeinsam‘, sagt da die jüngere Frau neben mir. ‚Bleiben Sie bei unseren Reisetaschen, ich schaue.‘ Sie schlängelt sich durch den Gang, kommt wieder und hat zwei Sitzplätze. Sie verstaut sogar noch meine Tasche im Gepäckfach. Schwups, wanderte ein rotes Glassteinchen von der linken in die rechte Manteltasche.“

Natürlich gibt es Tage, da bleiben beide Glassteine in ihrer Ausgangsposition. Weil nichts Schönes passiert oder man es nicht richtig bemerkt. An anderen Tagen reichen zwei Steine nicht. Ein wohltuendes Telefonat. Herzliches Lachen mit Kollegen. Die Erleichterung, dass eine Diagnose gut ausfallen ist. Ein Projekt, das viel Anstrengung gekostet hat, und richtig gut gelungen endlich fertig ist.

In einem Psalm heißt es: „Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“ (Psalm 103, 2) Die kleinen Steine in der Manteltasche sind eine Erinnerungshilfe, damit das Gute, das mir widerfährt, nicht einfach vorbeirauscht. Am Ende des Tages kann ich Glücksmomente zählen und in Erinnerungen baden: Was für ein Tag! Gott sei Dank!

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