Versuch über die Freundlichkeit
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Versuch über die Freundlichkeit

Michael Becker
Ein Beitrag von Michael Becker, Evangelischer Pfarrer, Kassel

Vom 1. Januar an dürfen auch Bürger aus Rumänien und Bulgarien ohne Beschränkungen in anderen europäischen Ländern arbeiten. In Deutschland fürchten manche, dass diese Menschen entweder unseren sozialen Kassen zur Last fallen werden oder gar betrügen könnten.

Gedanken dazu von Pfarrer Michael Becker aus Kassel:

Liebe Christlich Soziale Union, da ist Ihnen fürs neue Jahr ja etwas Besonderes eingefallen. „Wer betrügt, der fliegt“, sagen Sie. Damit meinen Sie Menschen aus Rumänien und Bulgarien, die seit dem 1. Januar zu uns kommen und arbeiten dürfen. Sie wollten gleich mal Flagge zeigen, nehme ich an, und werden das nächste Woche wohl auch so beschließen in Wildbad Kreuth. Ich verstehe das, liebe Christlich Soziale Union und Gleichgesinnte. Ängste sind meistens berechtigt. Es könnte sein, dass Betrüger aus dem Osten kommen und unsere sozialen Kassen beanspruchen. Sicher gibt es auch Menschen, die vor Armut kaum noch überlegen, ob und wem sie als nächstes zur Last fallen müssen. Ausnutzen gibt es überall, wo Gutes getan wird. Nur: Muss man wirklich sofort an Betrug denken? Könnte man nicht auch „Herzlich Willkommen“ sagen, erst einmal? Um dann zu sehen, was wirklich passiert?

Jesus wenigstens war da anders, dachte und handelte genau anders herum. Für ihn war christlich, als er sagte: Ich (selber) bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen (Neues Testament, Matthäusevangelium Kapitel 25, Vers 35). Das ist ein anderer Ton. Hier klingt an: Viele Fremde haben es dringend nötig, dass man sie aufnimmt. Wegen Armut oder Krieg im Heimatland. Niemand geht gerne von Zuhause fort, auch Rumänen und Bulgaren nicht. Manche sind sogar hoch gebildet und werden uns gut tun als Facharbeiter oder Altenpflegerinnen. So könnte man ja auch denken und hoffen. Man muss ja nicht gleich das Schlimmste befürchten und drohen. Oder?

Versuchen wir’s doch einfach in unserem reichen Land, liebe Christlich Soziale Union und Gleichgesinnte. Freuen wir uns auf die Fremden, erst einmal. Mancher wird ein besserer Mensch, wenn man ihn für gut hält.

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