Geh deinen Weg!

Geh deinen Weg!

Ksenija Auksutat
Ein Beitrag von Ksenija Auksutat, Evangelische Pfarrerin, Stockstadt

"Dieser Weg wird kein leichter sein, dieser Weg wird steinig und schwer."

Der Song „Dieser Weg“ war ursprünglich das Taufgeschenk eines Patenonkels. Xavier Naidoo hatte das Lied 2005 geschrieben für sein kleines Patenkind Elijah. Naidoo wollte seinem Patensohn etwas mitgeben auf seinen Lebensweg. Was Elijah im Leben begegnen wird, kann auch sein Onkel nicht wissen. Aber er wollte Elijah mit diesem Song ermutigen, seinen eigenen Weg zu finden und ihn gut zu gehen.

Wie auch immer der Lebensweg beginnt - er ist von Anfang ein Ausprobieren. Manche Kinder entwickeln früh ihre Stärke, indem sie sich unablässig bewegen. Sie wollen alles ertasten und lernen früh krabbeln und laufen. Andere sind Beobachter. Und wieder andere steigen als erstes in die Sprache ein. Kinder finden dabei Halt bei den Erwachsenen. Bei der Mutter, dem Vater, den Geschwistern und Großeltern. Und wichtige Wegbegleiter sind auch die Paten, die Gote oder der Petter, wie manche in Hessen noch sagen.

In einem Interview erzählte Xavier Naidoo, dass er sich gerne mehr um sein Patenkind kümmern würde. Aber weil er dafür zu wenig Zeit hat, habe er ihm eben eine kleine Songbotschaft mit auf den Weg gegeben. Naidoo hat selbst früh verstanden, was es heißt, seinen Weg finden zu müssen, auch wenn es schwer ist. Warum, davon später mehr. Er hatte Halt zuhause in seiner Familie, und er fand Halt in seinem Glauben. Auch wenn manche ihn verletzen wollten - andere waren für ihn da, darauf konnte er sich verlassen.

Naidoo weiß, der richtige Weg ist der Weg, der dein Weg ist. Und er hat gelernt: Es ist nicht leicht herauszufinden, „Was ist mein Weg?“. Authentisch sein, sich nicht verbiegen lassen, das fordert viele Menschen heraus, nicht nur Naidoos kleines Patenkind Elijah. Vielleicht wurde auch darum dieser Song zum erfolgreichsten Titel Xavier Naidoos überhaupt.

„Also ging ich diese Straße lang, mit dem Schlüssel für diese Tür.“

Dieser Song von Xavier Naidoo wurde das Lied zur Fußball-WM in Deutschland 2006. Die deutsche Nationalelf hörte es damals in der Kabine vor dem Spiel, es wurde „ihr“ Lied. Denn genau so war es für sie: „Dieser Weg wird kein leichter sein, dieser Weg wird steinig und schwer.“ So wie es jetzt auch in Brasilien war – mit dem glücklichen Ende, den Pokal gewonnen zu haben .

Damals wie jetzt in Brasilien lagen auf der Nationalmannschaft die ganzen Hoffnungen. Wer zum Team gehört, kann stolz sein. Sie alle wollten natürlich Weltmeister werden, damals, 2006, als es dann der 3. Platz wurde, genauso wie jetzt, als sie die Gewinner waren. Sie spürten den Druck, den Erfolgsdruck, der auf ihnen lastet. Und egal ob im Stadion oder vor dem Fernseher: Alle Zuschauer sind ja wie Trainer, alle können sie sehen, kein Fehler bleibt verborgen. Nein, leicht ist der Weg nicht für die Fußballer.

„Manche treten dich, manche lieben dich, manche geben sich für dich auf.“

Es ist ja nicht nur beim Fußball so: Nicht nur die Bälle werden getreten. Es gibt die Fouls auf dem Platz. Und es gibt die Rangeleien untereinander. Wer darf raus, wer bleibt auf der Ersatzbank? Da geht es um Konkurrenz und wer sich durchsetzt. Manche treten dich, das ist eine bittere Erfahrung, sogar mit schlimmen Folgen wie bei Neymar.  Das erfahren nicht nur Sportler im Wettkampf.

Xavier Naidoo wuchs auf in Mannheim, er war der einzige Dunkelhäutige damals in der Schule und seiner Nachbarschaft. Sein Vater stammt aus Südafrika mit indischen Vorfahren, seine Mutter aus England. Damals haben die Nachbarskinder zu Xavier gesagt: ‘Mach mal die Hand auf‘ und haben ihm dann rein gespuckt, um ihre Verachtung zu zeigen. Und auch Erwachsene haben ihn regelmäßig „Bimbo“ oder „Neger“ gerufen.

Xavier hat damals genau gespürt, dass die Leute ihn verletzen wollten, es hat ihn getroffen. Aber er hat gelernt, sich davon nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Sein Weg war der Glaube und die Musik. Naidoo hatte schon im Kinderchor seiner Kirchengemeinde gesungen, war als Jugendlicher Solosänger im heimischen Kirchenchor.

Er hat in den Gottesdiensten nicht nur seine erste Bühne gefunden. Er hat dort etwas für sein Leben mitbekommen, das er in diesem Lied seinem Patenkind mit auf den Weg gibt, gerade für die Momente, in denen es schwer ist im Leben, wenn es Konflikte und Streit gibt.

Die Geschichten von Jesus, die er in der Kirche hörte, hatten genau das zum Thema. Jesus machte die Dinge anders als der Rest der Welt. Er schlug nicht zurück, wenn man ihn anging. Er achtete das hoch, was als unwert galt. Jesus hatte Weggefährten, mit denen er alles teilte. Und er hat sich darauf verlassen, dass Gott ihm seinen Weg zeigt.

Von Jesus lernte Naidoo vielleicht: Am Ende gewinnen nicht die, die sich rücksichtslos durchboxen. Naidoo hat gelernt: Lass dich nicht provozieren. Mach langsam, wenn es stürmisch zugeht um dich herum.

„Manche treten dich, wenn der Wind das Meer aufbraust.“

Mit „Dieser Weg“ wollte Naidoo seinem Patensohn etwas mitgeben auf seinen Lebensweg. Er wurde damit gleichzeitig zum Wegbegleiter für viele andere. Er sang „Dieser Weg“ 2006 beim WM-Abschlussfest vor dem Brandenburger Tor vor fast einer Million Leute. Die Deutschland-Elf, die Menschenmenge stimmte mit ein, irgendwie konnten viele sich darin wieder finden.

Auch wenn Deutschland damals - anders als jetzt - nur Dritter wurde: Trotzdem war die WM damals toll, weil Deutschland ein wunderbarer Gastgeber war. Alle waren mit Flaggen durch die Gegend gelaufen, hatten sich gemeinsam über dieses Wahnsinnsereignis gefreut. Und die Fans, die jetzt in Brasilien sein konnten, haben dort erlebt, was Menschen über Grenzen und Unterschiede hinweg verbindet.

„Dieser Weg, dieses Leben bietet so viel mehr.“

„Dieses Leben bietet so viel mehr.“ Damit macht Naidoo Mut für den Weg, auch wenn man mal am Boden liegt oder gar nicht weiß, wie es weiter gehen soll. Ich glaube, Naidoo meint, das Leben bietet mehr als Wettkampf. Und vielleicht auch mehr als nur Harmonie und Wohlfühlen. „Nicht mit jedem wirst du dir einig sein“, singt er. Der eigene Weg – der braucht ein Ziel, und dann Zielstrebigkeit. Man braucht Rückgrat, wenn man sich nicht gleich abbringen lassen will von seiner Spur.

Denn steinige Wegabschnitte, Hindernisse, Umwege, Niederlagen - die gibt es in jedem Leben. Niemand bleibt davon frei. Und Naidoo erinnert daran, dass man nicht alleine unterwegs ist. „Manche lieben dich“, singt er, „manche geben sich für dich auf.“ Und: „Manche segnen dich.“

Andere sind an deiner Seite, sieh dich um, sagt Naidoo, hab Vertrauen. Das können die Kollegen im Team sein, die beste Freundin, deine Familie. Manche segnen dich. Ein guter Wunsch, eine Umarmung, jemand, der dir Mut macht, indem er einfach sagt: „Das wirst du schaffen.“

Segen, den bekommen wir nicht irgendwo, wir werden gesegnet. Wer segnet, gibt etwas, was er nicht hat. Gott wirkt den Segen. Und wer so gesegnet wird, bekommt, was er braucht. Kraft und Mut, ein Stück Hoffnung, dass man es schaffen kann, mit Gottes Hilfe seinen Weg zu gehen, auch wenn es schwer wird.

„Es war nur ein kleiner Augenblick, wenn der Wind das Meer aufbraust, ohoh.“

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