Vergeben tut gut
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Vergeben tut gut

Claudia Rudolff
Ein Beitrag von Claudia Rudolff, Rundfunkpfarrerin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Kassel

„Das verzeihe ich dir nie! Du kannst mir gestohlen bleiben!“ Die Worte ihrer besten Freundin klingen Sandra noch in den Ohren. Bettina hatte sie ins Telefon geschrien und einfach aufgelegt, bevor Sandra ein Wort zu ihrer Verteidigung sagen konnte. Bettina war bitter enttäuscht. Zig mal hatte sie Sandra gebeten, beim Chef ein gutes Wort für sie einzulegen. Sie wollte die neue Stelle unbedingt. Sandra hat sich aber darum gedrückt. Sie hat Angst, wenn jemand anders die Stelle bekommt, dass sie dann Nachtteile hat, weil sie sich für Bettina eingesetzt hat.

Inzwischen weiß Sandra, dass ihr Verhalten nicht in Ordnung war. Eine Freundin kann erwarten, dass sie sich für sie einsetzt, zu ihr steht. Dreimal hat sie sich nun schon bei Bettina entschuldigt, per SMS, per Mail, auf die Mailbox gesprochen, weil Sandra ja nicht ans Handy geht. Schmerzhaft erfährt sie: Wer um Vergebung bittet, liefert sich aus. Sie ist jetzt darauf angewiesen, dass ihre Freundin ihr vergibt. Wenn nicht, ist die Beziehung gestorben.

Während Bettina darauf wartet, dass Sandra sich meldet und ihr verzeiht, geht es Sandra auch nicht gut. Sie will zwar nicht verzeihen, aber sie vermisst ihre Freundin auch - die langen Telefonate und die unbeschwerten Saunabesuche. Immer wieder kommen ihr Worte ihrer verstorbenen Mutter in den Sinn: „Wer verzeiht, erlöst vor allem sich selber“. Ja, wenn sie verzeihen würde, ginge es ihr auch besser. Das stimmt. Sie müsste nicht auf ihre Freundin verzichten. Andererseits will sie es Bettina nicht so einfach machen. Sie will konsequent sein und ihre beste Freundin für ihr Verhalten bestrafen. Aber je mehr Zeit vergeht, umso mehr spürt Sandra, dass diese Funkstille zwischen ihnen sie immer mehr belastet.

„Wer verzeiht, erlöst vor allem sich selber“. An den Worten der Mutter ist etwas dran. Endlich findet sie die Kraft, greift zum Telefon und wählt Bettinas Nummer. Es wird ein langes Gespräch. Beiden wird klar: Vergeben heißt nicht vergessen und auch nicht etwas ungeschehen machen. Aber Vergeben befreit beide und schenkt ihrer Freundschaft eine Zukunft.

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