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Kantate
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Kantate

Michael Tönges-Braungart
Ein Beitrag von Michael Tönges-Braungart, Evangelischer Pfarrer, Bad Homburg

Kantate – so heißt der morgige Sonntag in den evangelischen Kirchen. Kantate – Singet. Und in den Gottesdiensten wird morgen nicht nur über das Singen geredet werden in der Predigt – sondern vor allem wird gesungen werden.

Singen ist etwas Wunderbares. Weil es den ganzen Menschen erreicht – mit Verstand und Gefühl, mit dem ganzen Körper. Wenn ich singe, dann geht es mir sozusagen durch und durch. Distanziert kann ich es eigentlich überhaupt nicht betreiben.

Mit Singen kann ich Gefühle ausdrücken. Von Freude und Jubel bis hin zur Traurigkeit und zur Klage. Von „Lobe den Herren“ bis zu den Jubelgesängen im Fußballstadion. Von Grönemeyers „Der Weg“ bis zum Gospel: „Nowbody knows the trouble I’ve seen“.

Und zugleich führt das Singen einen über sich selber und über seine Gefühle hinaus und eröffnet neue Erfahrungen.

Singen macht Mut und vertreibt die Angst. Nicht umsonst heißt es in einem alten Kirchenlied: „Tobe, Welt und springe, ich steh hier und singe in gar sichrer Ruh…“ (EG 396, 3).

Wenn ich’s gemeinsam mit anderen tue, dann verbindet mich das Singen mit ihnen. Ich bin aufgehoben in einer Gemeinschaft und füge mich ein in den Klang der vielen Stimmen und muss auf die anderen achten und reagieren. Und der Gesang der anderen trägt mich mit – auch dann, wenn ich selber einen Ton nicht treffe oder mir die Stimme ganz versagt.

Für mich hat Singen auch etwas mit Gott zu tun. Natürlich, wenn ich an Kirchenlieder oder an große Chorwerke z.B. von Johann Sebastian Bach denke. Da erreicht mich das gesungene Wort manchmal viel besser als das gesprochene Wort einer Predigt. Mit Gott hat zu tun, dass mich das Singen über mich selbst hinaus hebt, mich meine Grenzen überschreiten lässt. Dann kann es sein, dass ich dabei etwas von Gottes Wirklichkeit erahne und erspüre, die mich umfängt und trägt.

Gut, dass in den Schulen heute wieder hoch im Kurs steht und dass unsere Tochter im Schulchor mit singt. Und es tut mir weh, wenn ich merke, dass viele Menschen nicht mehr gewohnt sind zu singen. Weil ich denke, dass ihnen da eine wichtige und schöne Erfahrung entgeht.

Mut kriegen zum Singen, das wär’s. Und sei es ganz allein unter der Dusche, wo es keine hört und man sich für falsche Töne nicht zu schämen braucht. Oder zusammen mit anderen – vielleicht im Gottesdienst – wo es auch nicht auffällt, wenn einer einen Ton mal nicht trifft. Man muss sich nur trauen. Und wird erleben, dass man durchs Singen auch singen lernt und Freude daran findet.

Gleich morgen ist eine gute Gelegenheit dazu, am Sonntag Kantate, Singet.

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