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Zerbrechlich auf dem Gipfel
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Zerbrechlich auf dem Gipfel

Daniel Lenski
Ein Beitrag von Daniel Lenski, Evangelischer Pfarrer, Königstein-Falkenstein
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Heute vor 40 Jahren hat Reinhold Messner den Mount Everest bestiegen. Er war der erste Mensch, der das alleine geschafft hat – und das noch ohne Sauerstoffgerät. Diese Tour sei das „i-Tüpfelchen“ seiner Bergsteigerkarriere gewesen, erklärte Messner später.

Alle Achttausender ohne Atemgerät

Bergsteiger wie Messner beeindrucken mich. Für ihren Erfolg brauchen sie eine enorme Disziplin, müssen sich gut vorbereiten und die vorhandenen Risiken immer wieder neu abwägen. Dadurch hat es Messner geschafft, als erster Mensch alle 14 Achttausender der Erde ohne Hilfe von Atemgeräten zu ersteigen.

„Ich bin nicht stark, sondern habe mentale Kraft."

In einem Interview wurde Messner viele Jahre später gefragt, was ihn stark gemacht habe. Er antwortete: „Ich bin nicht stark, sondern habe mentale Kraft. Ich bin ein zerbrechlicher Mensch.“ Dieser Satz hat mich stutzig gemacht. Das sagt jemand, der enorme sportliche Erfolge verbuchen konnte? Ich komme ins Nachdenken: Da gehört viel Lebenserfahrung dazu, bei aller eigenen Stärke auch seine eigene Schwachheit und seine Grenzen wahrzunehmen.

Die eigenen Grenzen gut einschätzen können

Vielleicht kann Messner als Top-Alpinist seine Kräfte besser einschätzen als viele andere. Seine Grenzen falsch einzuschätzen, kann beim Bergsteigen tödlich enden. Bei kaum einem anderen Sport ist es so wichtig, das Zutrauen und die Vorsicht in die eigene Leistung gut abzuwägen.

Der Mensch ist nicht makellos

Auch in der Bibel wird immer wieder davon gesprochen, dass der Mensch nicht makellos ist. Wir alle haben unsere Schwächen und unsere Bruchstellen. An einer Stelle heißt es, dass wir einen „Schatz in zerbrechlichen Gefäßen“ haben (2. Korinther 4,7). Ja, ich glaube, dass Gott uns mit enormen Gaben und Fähigkeiten ausgestattet hat. Wir können ganz viel schaffen und zugleich ein Gefühl für das Unendliche ausbilden.

Wir sind keine Superhelden

Und doch sind wir keine Superhelden. Wir haben Ecken und Kanten, und oft kommen wir an die Grenzen unserer Kraft. Das ist auch nicht schlimm, sondern zutiefst menschlich. Erfolgreiche Sportlerinnen und Politiker werden mir gerade dann sympathisch, wenn sie den Mut haben, von ihren eigenen Momenten der Schwäche zu sprechen. Das verbindet mich mit Reinhold Messner, der sagt: „Auch an anderen interessiert mich ihre Begrenztheit und nicht ihre ‚siegfriedhafte‘ Stärke.“

Sich trauen, auch von Niederlagen zu reden

Wenn ich abends nach Feierabend mit Freunden zusammensitze, sind das oft die spannendsten Momente: Wenn wir uns trauen, nicht nur von unseren Erfolgen und erklommenen Gipfeln zu erzählen, sondern auch von unseren Niederlagen. Wie viele Umwege bin ich selbst in meinem eigenen Leben schon gegangen? Wie viele Pläne musste ich wieder verwerfen, weil ich einen Studienplatz nicht bekommen habe oder eine Bewerbung nicht angenommen wurde?

"In meiner Zerbrechlichkeit bin ich nicht alleine"

Wenn ein Spitzenalpinist wie Reinhold Messner davon spricht, dass er ein zerbrechlicher Mensch ist, dann darf ich das doch auch tun. Dadurch gebe ich Menschen die Möglichkeit, mich besser kennenzulernen. Und in Gesprächen mit anderen wird dann auch schnell klar: In meiner Zerbrechlichkeit bin ich nicht alleine.

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