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Virtuelle Wir-Gefühle
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Virtuelle Wir-Gefühle

Christoph Schäfer
Ein Beitrag von Christoph Schäfer, Katholischer Religionslehrer, Rüsselsheim
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Die Corona-Kontaktregeln haben auch in meinem Alltag für einen Technologieschub gesorgt: In unserer weit verstreuten Familie haben wir nämlich aus der Not eine Tugend gemacht. Und uns alle besser elektronisch vernetzt. Sogar die Großeltern aus der Schnurtelefon-Ära wählen sich jetzt mutig in Video-Calls ein. Und die Teenager unserer Runde verzichten auf Sticheleien, wenn ihre Eltern den falschen Zuschalt-Knopf drücken. Denn allen scheint das Ziel unserer Kämpfe mit Kabelgewirr und kryptischen Anleitungen am Herzen zu liegen: Trotz Corona wollen wir uns alle zumindest per Computer sehen und sprechen.

Auch im Freundeskreis treffen wir uns jetzt regelmäßig virtuell: Wir lächeln und prosten uns zu. Halten ein neues Lieblingsbuch in die Webcam. Oder einen gerade kreierten Nachtisch. Wir schweigen aber auch einfach mal. Und genießen die Gemeinschaft über die Distanz hinweg. Auch wenn ich weiterhin gerne Postkarten und Briefe schreibe, spüre ich: Diese Technik ist wirklich kein bloßer Schnickschnack, sondern ein wichtiges Mittel gegen Einsamkeit. Sie schafft virtuelle Wir-Gefühle, die einfach gut tun. 

Deshalb denke ich gerade heute mit einem dankbaren Gefühl an einen Pionier dieser Video-Konferenzen: Heute vor 150 Jahren wurde der deutsche Physiker Arthur Korn geboren. Er hat an Verfahren zur Bild-Telegrafie getüftelt, und ihm ist es 1904 gelungen, ein Bild über eine Telefonleitung von München nach Nürnberg zu senden. Wenig später war seine Technik so ausgereift, dass man 1908 in London einen Juwelendieb schnappen konnte, weil zuvor ein Fahndungsfoto per Telefonleitung unter dem Ärmelkanal hindurchgeflitzt war. Korn war ein renommierter Forscher. Dennoch entließen ihn die Nationalsozialisten aufgrund seiner jüdischen Abstammung. Er sah sich gezwungen, in die USA auszuwandern. 

Natürlich war es noch ein weiter Weg von Korns Experimenten hin zu meinen heutigen Corona-Chats. Viele Frauen und Männer haben für diesen Kommunikations-Komfort tolle Forschungsleistungen erbracht. An sie möchte ich an Korns Geburtstag auch denken. Und ich nehme mir vor, die Möglichkeiten der modernen Kommunikation mit Respekt zu nutzen: Gerade in der Corona-Zeit kann ich damit dazu beitragen, Einsamkeit zu überwinden und Menschen Gutes zu tun.

 

 

 

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