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Selfie
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Selfie

Dr. Peter Kristen
Ein Beitrag von Dr. Peter Kristen, Evangelischer Pfarrer und Studienleiter, Religionspädagogisches Institut Darmstadt

Ich fotografiere gerne. Für meine Bilder mach‘ ich mir Gedanken um Schärfentiefe, Perspektive und das besondere Licht. Manchmal komm ich in einer anderen Jahreszeit zu einem Motiv zurück oder warte darauf, dass eine Wolke sich bewegt. Während ich vielleicht noch ein Stativ aufbaue oder das Objektiv wechsle, haben andere ihre Lieblingsfotos schnell gemacht: Handy raus, Arm lang, klick und fertig ist das Selfie. Ich vor dem Eiffelturm, ich vor dem coolsten Club der Stadt, ich in meinem neuen Auto.

Als Fotograph kommt es mir so vor, als würden Selfies „mit dem Rücken zur Welt“ gemacht. Der Hintergrund ist nur Kulisse für noch ein Bild von mir, oder der Beweis, dass ich wirklich dort gewesen bin. Dem besonderen Ort, dem besonderen Moment, dem schönen Licht drehen Selfiefotografen nur den Rücken zu. So gesehen sind Selfies, schlechte Fotos und selbstverliebte Angeberei. Einerseits.

Was mir ein Kollege erzählt, hat mich da aber ins Nachdenken gebracht: In seiner Familie ist er der leidenschaftliche Fotograf. Bei Festen und Feiern verlassen sich alle darauf, dass er ja seine Kamera dabei hat und wieder so gute Bilder macht. Jetzt ärgert er sich, dass es aus 45 Jahren Ehe kaum Familienfotos von ihm gibt, dass er also nie irgendwo mit drauf ist. Auch irgendwie blöd! Er sagt: Hätte er hin und wieder mal den ambitionierten Fotografen beiseitegeschoben, sich überwunden und mit in ein Selfie gelächelt … dann wäre er auch mal auf einem Bild mittendrin, Teil von einem wunderbaren Moment.

Da ist schon was dran, schließlich hat selbst Gott einmal sozusagen ein Selfie gemacht. Von Christus heißt es im NT, dass er ein „Bild Gottes“ (Kol 1,15) sei, also auch eine Art Selfie, auf dem man sehen kann wie und wo Gott ist. Ein Selfie von Gott müsste aber ein „Us-sie“ werden. „Usie“, das Wort kommt vom englischen „us“, also wir. Es ist ein Handybild, auf dem nicht nur einer ist, sondern viele. Ein „Usie“ zeigt eine ganze Gruppe von Menschen, die sie freut zusammen zu sein und zusammen zu gehören, so wie mein Kollege sich das wünscht. Auf Gottes „Usie“ wären dann die drauf, die er zu seinem Ebenbild erschaffen hat, alle Menschen. Da bin dann doch froh, auf diesem Usie mit drauf zu ein.

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