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Im Westen nichts Neues
Bidquelle: Alexas Fotos/Pixabay

Im Westen nichts Neues

Michael Becker
Ein Beitrag von Michael Becker, Evangelischer Pfarrer, Kassel
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Das Wort klingt nach Blut: Verdun. So ist es auch. Morgen vor einhundert Jahren begann der Kampf um Verdun in Frankreich, der Schlacht im Ersten Weltkrieg. Der Krieg war in die Jahre gekommen, könnte man sagen. Die Großmächte standen sich mit Soldaten gegenüber, töteten und gewannen nichts. Keinen Meter Erde seit Monaten. Jetzt sollte die deutsche Überlegenheit gezeigt werden. Beim Angriff auf die Festung Verdun. Deutsche gegen Franzosen und Engländer. Und weil Deutsche alles gründlich machten, gaben sie dem Angriff einen Namen: Operation Gericht. Es sollte Gericht gehalten werden über andere. Neun Monate wurde gekämpft, geblutet, gestorben. Neun Monate ohne Ergebnis, aber mit 800.000 Toten und Verwundeten, fürs Leben Gezeichneten. Es wurde tatsächlich ein Gericht, aber auch für die Angreifer, für Deutschland. Der Name Verdun steht für Blut, massenhaftes Sterben, entsetzliche Sinnlosigkeit. Und für Gericht, den Anfang vom Ende des einst geachteten Deutschlands. Die Schlacht, die neun Monate dauert, endet, wie sie begonnen hat. Mit Protokollen, in denen steht: „Im Westen nichts Neues“ (E. M. Remarque).

So heißt das berühmte Buch aus dem Ersten Weltkrieg: „Im Westen nichts Neues“.

Mit Hurra ziehen hunderttausende junge Männer an die Front, gedemütigt kehren sie wieder heim oder sterben auf den Schlachtfeldern - wie Paul Bäumer, von dem erzählt wird. Kaum ein Buch hat so eindrücklich beschrieben, wie sinnlos Bluten und Sterben im Krieg ist. Und wie die gerichtet werden, die ein Gericht über Europa bringen wollten. Noch einhundert Jahre danach liest man fassungslos, wie Heeresleitungen leichtfertig mit dem Tod jonglieren. Die Zeit der Helden war vorbei. Und unser Land lernt wenig daraus. Schon zwanzig Jahre später entfesselt es wieder Krieg und erlebt das nächste Gericht.

Ich lese das und denke daran, weil ich Zeichen erkennen will. Früh erkennen will. Zeichen und Hinweise, wann Schluss sein muss mit Drohungen und Säbelrasseln. Wer heute Politiker wählt oder Politik macht, muss wissen: Krieg ist zuletzt immer ohne Sinn. Meist führt er gradlinig in einen nächsten Krieg. Oder verzehrt Menschen und Länder. Sieger, wenn es sie gibt, neigen zum Hochmut; Verlierer suchen die Rache. Krieg darf, unter keinen Umständen, eine Möglichkeit sein. Und Gott ist niemals, glaube ich, niemals eine Kriegspartei. Wer ihn auf seine Seite des Schlachtfelds zerrt, muss auch mit seinem Gericht rechnen.

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