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Friedensnobelpreis für Willy Brandt

Friedensnobelpreis für Willy Brandt

Christoph Wildfang
Ein Beitrag von Christoph Wildfang, Evangelischer Pfarrer, Arnoldshain

Heute vor 45 Jahren hat Willy Brandt den Friedensnobelpreis zugesprochen bekommen. In seinen „Erinnerungen“ schreibt er darüber nur einen kurzen Absatz. Er schreibt, dass diese Anerkennung ihm nahe ging. Zuvor hatte er zwei Jahre lang politisch für eine neue Ostpolitik mit unseren Nachbarn gekämpft. War angefeindet worden. Es waren komplizierte Verhandlungen mit Rücksicht auf den Status der DDR und das Verhältnis zwischen der BRD und Berlin. Er muss auch noch Rücksicht auf die Westmächte nehmen. Und das Ganze ohne einen richtigen Friedensvertrag.

Ich erinnere mich noch, wie wir in der Schule darüber diskutiert haben. Über Bindungen oder Verbindungen mit Berlin, über die Anerkennung von Gebietsverlusten nach dem Zweiten Weltkrieg. In meiner Schule damals hing noch ein sogenanntes „Ostlandfenster“: Ein großes Glasfenster im Flur mit allen östlichen Gebieten des ehemaligen Deutschen Reiches. Mit ganz anderen Grenzen als die der Bundesrepublik. Manchmal im Geschichtsunterricht mussten wir da hin pilgern und uns ein größeres Deutschland anschauen.

Von heute aus kaum nachzuvollziehen. Die vielen Verhandlungen mit den Ländern östlich von uns und der Besuch Willy Brandts 1970 in Erfurt waren das Eine. Anschaulich wurde Brandts Friedens- und Versöhnungspolitik durch eine ganze besondere Geste: den Kniefall von Willy Brandt am 7. Dezember 1970 am Ort des ehemaligen Warschauer Ghettos. Worte waren das Eine. Reden zu Feiertagen. Komplizierte Vertragstexte in der Ostpolitik. Aber diese Geste, dieser eine Moment: der Bundeskanzler sinkt auf die Knie und verharrt dort. Keine Kniebank. Das, was er intuitiv macht, ist nicht im Protokoll vorgesehen.

Später hat er erzählt, dass er zuvor auch nicht wusste, dass er dort am „Ehrenmal der Helden des Ghettos“ niederknien würde. Aber er fühlte sich hinein. Kein Neuanfang ohne Bekenntnis von Schuld. Davor auch nicht die Möglichkeit zur Vergebung. Kein Neuanfang, ohne dass Einer wirklich mit Aussöhnung beginnt. Es hat danach keine weiteren Worte gebraucht. Es hat gereicht. Der Kniefall von Warschau. Der erste wirkliche Schritt zu Versöhnung und Frieden.

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