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Einen Euro in den Pappbecher?
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Einen Euro in den Pappbecher?

Dr. Peter Kristen
Ein Beitrag von Dr. Peter Kristen, Evangelischer Pfarrer und Studienleiter, Religionspädagogisches Institut Darmstadt

In zwanzig Metern muss alles entschieden sein. Schon von weitem sehe ich in der Fußgängerzone einen Bettler auf dem Boden sitzen. Vor sich hat er ein kleines Schild aufgestellt und einen Pappbecher. Bei mir läuft dann im Kopf immer dasselbe ab: Mein christliches Herz für Bedürftige erinnert sich, was Jesus in der Bergpredigt sagt: Beim Spenden an arme Leute soll die Linke nicht wissen, was die Rechte tut. Gott werde das belohnen. Aber mein Verstand ruft all die Informationen über organisierte Bettlerbanden wach, über Alkoholmissbrauch und Drogensucht. Am Pappbecher angekommen entscheide ich dann mal so, mal so.

Anders macht das der Countrysänger Gunter Gabriel. Er hat vor kurzem gesagt: "Ich bin leichtsinnig. Ich gebe Bettlern mal einen Zwanziger, mal einen Hunderter". Er selbst kennt das Gefühl, klamm zu sein aus eigener Jugend. Vielleicht konnte er deshalb seine erfolgreichen Country Songs so überzeugend singen: „Hey Boss, ich brauch mehr Geld“, „Ohne Moos nix los“. Nach seinem großen Erfolg als Songwriter hat er selbst erlebt, wie sich ein Absturz anfühlt: kaputte Ehen, Alkohol, finanzielle Pleite.

Er hat es wieder geschafft, ein erfolgreiches Album produziert. Aber leichtsinnig, wie er sagt, ist er geblieben. Er gibt Bettlern immer wieder Geld. Er selbst versucht mit wenig auszukommen und „offene Rechnungen“ hat er immer noch. Vielleicht hat er das beibehalten, weil er selbst erlebt hat, wie kurz der Weg vom Luxushotel auf die Parkbank sein kann. Bettelnde Menschen zeigen ein viel größeres, ein gesellschaftliches Problem. Menschen in Not brauchen mehr als einen Euro, sie brauchen herzliche, andauernde Hilfe und Begleitung und oft eine Therapie.

Bedenken und Barmherzigkeit in eine Waage zu bringen, das ist wirklich schwer. Weil es für beides gute Gründe gibt, zwinge ich mir da keine Regel auf. Manchmal hab ich einfach kein passendes Geld dabei, dann schaue ich weg und gehe etwas ärgerlich, aber entschlossen vorbei. Hin wieder werf‘ ich aber auch einen Euro in den Becher, auch wenn ich nicht sicher sein kann, dass ich damit vielleicht eine Sucht mitfinanziere oder irgendein Bandenboss ihn einkassiert. Ich weiß, das ist dann kein Ersatz für eine nachhaltige Hilfe, für mich ist es aber ein Zeichen der Mitmenschlichkeit.

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